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Foto: VBG/Ilka Hinrichs

Mental Load im Job – Unsichtbare Arbeit sichtbar machen

Führungskräfte-Coach Benjamin Rolff erklärt im Certo-Gastbeitrag, warum unsichtbare Aufgaben belasten, wie man sie sichtbar machen und fairer verteilen kann.

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In fast jedem Team gibt es Menschen, die Verantwortung für Aufgaben übernehmen, die auf keiner To-do-Liste und in keinem Projektplan stehen: Sie erinnern an Geburtstage, begrüßen neue Kolleginnen und Kollegen, vermitteln in Konflikten oder teilen Wissen. Diese Tätigkeiten wirken selbstverständlich, wie nebenbei mal schnell erledigt – aber oft summieren sie sich zu einer großen mentalen Zusatzbelastung: dem Mental Load.

Für ein Aha-Erlebnis braucht es Klarheit über alle Aufgaben 

Meine Erfahrung in der Arbeit mit Führungskräften und Teams zeigt: Neben steigenden Anforderungen und vielen Veränderungen in der Arbeitswelt ist dieser unsichtbare Druck eine unterschätzte Stressquelle. Meist verteilt er sich ungleich – einige tragen weit mehr Verantwortung, ohne dass es jemand wahrnimmt. Das Aha-Erlebnis entsteht oft erst, wenn Teams beginnen, darüber zu sprechen: Welche Aufgaben übernehmen wir eigentlich nebenher? Wer trägt wofür Verantwortung? Und was sollte sichtbarer und fairer verteilt werden.

Unsichtbare Arbeit kann viele Gesichter haben. Um sie greifbarer zu machen, lassen sich sechs Formen von Mental Load unterscheiden:

1. Die Stimmungshaltenden

Ob im Meeting oder wenn die Kundenbeziehung kippt: Stimmungshaltende spüren Spannungen früh. Sie moderieren, vermitteln und schaffen Räume, in denen Konflikte offen angesprochen werden.

3. Die Erklärenden

Sie teilen Wissen, ohne dass jemand darum bittet – sei es zum neuen IT-Tool, zu fachlichen Fragen oder für einen Überblick über Märkte und Prozesse. Ihre informelle Hilfe spart den Kolleginnen und Kollegen Zeit, kostet sie selbst aber viel Energie.

 
 

5. Die Sicherheitsnetze

Wenn es eng wird oder jemand ausfällt, springen sie ein. Sie übernehmen Aufgaben, auch wenn es nicht ihre Rolle ist, und sorgen für Verlässlichkeit weit über ihre Stellenbeschreibung hinaus. 

 

2. Die Gedächtnisstützen

Sie behalten im Blick, woran kein Tool erinnert: Geburtstage, Abschiede, kleine Rituale oder besondere Kundenwünsche. So halten sie Abläufe reibungslos und das Miteinander aufmerksam. 

 

4. Die Beziehungspflegenden

Sie integrieren neue Teammitglieder, initiieren gemeinsame Aktivitäten, übernehmen soziale Verantwortung und schaffen Vertrauen – die Grundlage funktionierender Zusammenarbeit.
 



6. Die Vorausdenkenden

Sie denken mehrere Schritte voraus, erkennen mögliche Engpässe und finden Lösungen, bevor ein Problem überhaupt sichtbar wird. Damit schaffen sie Freiräume für fokussiertes und entspanntes Arbeiten.

Als Experte für gesundes Führen und resiliente Teams berät Benjamin Rolff seit mehr als zehn Jahren Führungskräfte und Unternehmen. Er ist ausgebildeter Business Coach und Design Thinking Coach und arbeitet unter anderem für Kunden wie Beiersdorf, Otto oder Hermes. (Foto: Ilka Hinrichs)

Mental Load sichtbar machen und wertschätzen

Nicht alles, was Teams trägt, ist messbar – aber alles, was wirkt, verdient Anerkennung. Wer gesunde, leistungsfähige Teams entwickeln will, muss auch diese unsichtbaren Beiträge sehen. Führungskräfte haben hier eine Schlüsselrolle: Sie können diese Arbeit sichtbar machen, wertschätzen und dabei helfen, sie fairer zu verteilen. Diese Checkliste kann Ihnen helfen, das Thema in Ihrem Team anzusprechen, Muster aufzudecken und eine neue Balance zu schaffen.

 

Mental Load-Checkliste für Führungskräfte:
5 Schritte für gerechte Verteilung

 

1. Eigene Bestandsaufnahme
Auch viele Führungskräfte tragen Mental Load. Deshalb lohnt es, sich am Ende der Woche 15 Minuten Zeit zu nehmen, um die eigenen Aufgaben und Gedanken zu reflektieren: Woran haben Sie gearbeitet, was beschäftigt Sie, was ist sichtbar und was läuft eher im Hintergrund? Diese Liste können Sie anschließend bewerten und priorisieren: Was muss ich erledigen, was kann ich loslassen oder delegieren?
 

2. Dem Thema Raum geben
Sprechen Sie Mental Load offen im Team an, zum Beispiel im wöchentlichen Meeting. Wissen schafft Bewusstsein und stärkt die psychologische Sicherheit. Wenn das Team weiß, dass Sie das Thema kennen, fällt es leichter, Überlastung anzusprechen. Regen Sie bei allen eine Bestandsaufnahme an.
 

3. Im Workshop in die Tiefe gehen
Meist reichen wenige Stunden, um alle unsichtbaren Aufgaben zu sammeln und sichtbar zu machen: organisatorische, emotionale und soziale. Dann können Sie gemeinsam anerkennen, was geleistet wird, und prüfen, ob Aufgaben anders verteilt werden sollten.
 

4. Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen
Fair und entlastend ist es, wenn unsichtbare Aufgaben im Team rotieren oder zumindest im Tandem übernommen werden. So vermeiden Sie, dass immer dieselben Personen zusätzlich belastet werden.
 

5. Routinen etablieren
Planen Sie regelmäßige Check-ins, um zu prüfen: Welche (unsichtbaren) Aufgaben haben sich verschoben oder sind neu hinzugekommen? Auch in Einzelgesprächen können Sie offen danach fragen, wo der Mental Load gerade zu hoch ist.

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