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Work-Life-BalanceFlexibel arbeiten: Drei Arbeitszeitmodelle im Alltags-Check

Flexible Arbeitszeitmodelle machen Unternehmen attraktiver – und Beschäftigte zufriedener. Warum? Certo hat mit drei Arbeitnehmenden gesprochen.

Arbeitszeitmodell 1: Vertrauensarbeitszeit
 

Andreas Weck arbeitet remote als Redakteur bei t3n, dem Magazin für digitale Wirtschaft.

Foto: Johannes Schuba

Wie die meisten bei uns arbeite ich ausschließlich im Homeoffice. Wir haben Kernarbeitszeiten: Werktags zwischen 7.30 Uhr und 16 Uhr ist die Redaktion erreichbar. Das Arbeitsende bestimmt jede und jeder individuell. Wenn ich mal einen privaten Termin in der Kernarbeitszeit habe, zum Beispiel zum Arzt muss, ist das kein Problem. Dann starte ich an diesem Tag zwei Stunden früher, arbeite zwei Stunden länger oder hole die Arbeitsstunden am Wochenende nach. Da bin ich total flexibel: Ich habe meine 40 Wochenarbeitsstunden, die ich so gestalte, wie es für mich am besten passt. Und die ich natürlich möglichst nicht überschreite. Das verstehen wir unter Vertrauensarbeitszeit.

Ich arbeite remote. Weil das Pendeln zwischen unserem Büro in Hannover und meinem Zuhause in Berlin unnötiger Stress wäre.
Andreas Weck, Ressortleiter Arbeitswelt beim t3n Magazin
Immer erreichbar sein: Für mich völlig okay!
 

Erreichbar sein müssen wir nur während der Kernarbeitszeiten – per E-Mail, Telefon oder Instant-Messaging-Anbieter Slack. Das haben wir im Team so besprochen. Bei mir ist es so: Eigentlich bin ich immer erreichbar. Es ist völlig okay, wenn jemand mich um 22 Uhr anruft und sagt: ‚Hey, ich bin morgen nicht da. Kannst du diesen Job für mich übernehmen?‘ Oder wenn ich am Wochenende einen Fehler in einem Online-Artikel entdecke, ändere ich das schnell oder schreibe die verantwortliche Person an.

Dieses Always-on-Sein ist für mich kein Stressfaktor, weil es kein Muss ist: Mein Arbeitgeber und meine Kolleginnen und Kollegen verlangen das nicht von mir. Es entlastet mich eher, wenn ich die Sache aus dem Kopf habe. Natürlich muss man sich remote auch gut organisieren. Und hat keinen Flurfunk, erfährt daher weniger, wie es den Kolleginnen und Kollegen geht. Ich federe das ab, indem ich mich regelmäßig online auf einen Kaffee treffe.

Flexible Arbeitszeiten: Gesundheitsrisiken vermeiden


Flexible Arbeitszeitmodelle mit überlangen Arbeitstagen und eine Erreichbarkeit nach Feierabend oder an Wochenenden können die Gesundheit der Arbeitnehmenden nachweislich gefährden. Damit flexible Arbeitszeiten nicht zum Stressfaktor werden, sollten Sie als Unternehmerin oder Unternehmer einiges beachten. Mit diesen drei Lesetipps erfahren, worauf es dabei ankommt:

  • Wie können Sie als Unternehmerin oder Unternehmer flexible Arbeitszeitmodelle gesund gestalten? Lesen Sie unseren Artikel zum Thema.
  • Wann ist Erreichbarkeit nach Feierabend im Berufsleben ungesund? VBG-Arbeitspsychologin Dr. Susanne Roscher klärt im Interview mit Certo auf.
  • Unsere Certo-Tipps zur Erreichbarkeit im Homeoffice finden Sie hier.
  • Wie Sie Interessierte Selbstgefährdung erkennen und dagegen vorgehen können, lesen Sie hier. Dabei handelt es sich um Bewältigungsstrategien, die Beschäftigte anwenden, um mit hohem Druck bei der Arbeit umzugehen.

 

Arbeitszeitmodell 2: Teilzeit
 

Als Geschäftsführer des Saftherstellers leev GmbH ist das Teilzeitmodell für Martin Drechsler ideal.

Foto: Leonardo Freund

„Teilzeit arbeiten: In meiner Position geht das leider nicht.“ Diesen Spruch höre ich oft. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es geht immer, wenn man es richtig anstellt. Sehr praktisch ist, wenn Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird und sich zum Beispiel zwei Personen eine Stelle teilen. Wichtig ist dann nur, dass der Wissenstransfer funktioniert.

Bei uns arbeitet in der Regel keiner mehr als 30 Stunden. Das gehört zu unserer Firmenphilosophie. Wir finden einfach, dass es auch etwas anderes als Arbeit im Leben gibt. Damit unser Arbeitszeitmodell funktioniert, haben Entscheidungen bei uns immer Zeit. Und in unserem dreiköpfigen Team darf jede und jeder alles entscheiden. Wir machen Apfelsaft, da kann schließlich nicht viel schiefgehen.

Teilzeit zu arbeiten ist perfekt. Weil meine Frau und ich so eine gleichberechtigte Elternschaft leben können. Und ich mehr von meinem Leben habe!
Martin Drechsler, Geschäftsführer bei leev
Wir entscheiden gemeinsam, wann wir arbeiten


Wann ich arbeite, entscheide ich gemeinsam mit meiner Frau Hanna. Wir schauen, was in der nächsten Woche anliegt, wie wir das aufteilen, damit wir beide jeweils auf 30 Arbeitsstunden kommen. Ganz im Sinne einer gleichberechtigten Elternschaft. Wenn man in eine Teilzeit-Anstellung wechseln möchte, sollte man vorher mit den Kolleginnen und Kollegen sprechen, damit zum Beispiel Meetings grundsätzlich auf den Vormittag gelegt werden. Denn sonst kann es für Teilzeit-Beschäftigte stressig werden.

Generell bin ich der Meinung, dass Teilzeitkräfte strukturierter arbeiten und oft in weniger Zeit die gleiche Arbeit leisten. Trotzdem ist es manchmal schwer, Grenzen zu setzen. Es kommt schon vor, dass ich nach meiner Arbeitszeit auf dem Spielplatz meine Mails checke. Aber das kann auch bei einer regulären Arbeitszeit von 40 Stunden passieren.

 

Arbeitszeitmodell 3: Jobsharing
 

Dr. Elke Hänsele teilt sich das Office-Management in der Agentur fischerAppelt mit einer Kollegin.

Foto: Fabrik Frankfurt/Elke Hänsele

Alles begann mit meinem Agentureinstieg als Elternzeitvertretung im Office-Management. Ursprünglich war diese Position in Vollzeit besetzt. Ich wollte aber nur Teilzeit arbeiten. Zum Glück habe ich den Job trotzdem bekommen, erstmal befristet auf die Dauer der Elternzeit. Dann hatte ich wieder Glück: Als meine Kollegin aus der Elternzeit zurückkam, wollte auch sie nicht mehr Vollzeit arbeiten. Sie schlug vor, dass wir uns den Job teilen und jeweils ganze Tage arbeiten: sie von Montag bis Mittwochmittag, ich von Mittwoch bis Freitag.

Am Mittwoch sind wir also beide im Büro und können uns austauschen. Organisation und Dokumentation sind das A und O beim Jobsharing. Wir arbeiten mit Übergabelisten zu verschiedenen Themen, auf die wir beide jederzeit zugreifen können. Und lernen viel voneinander, wir sind ja aus unterschiedlichen Generationen. Ist eine von uns länger weg, kommt eine Vertretung, das müssen wir nicht allein auffangen.

Jobsharing passt zu mir. Weil ich dadurch sehr flexibel bin und die freien Tage komplett für mich nutzen kann – ob für Hobbys oder freiberufliche Jobs.
Dr. Elke Hänsele, Office-Managerin bei fischerAppelt und freiberufliche Wissenschaftlerin
Weniger Arbeitstage können auch mal stressen


Klar gibt es Situationen, in denen es stressig wird, weil man nicht sofort herausfindet, wo der Fehler liegt, zum Beispiel wenn bei Hotelbuchungen etwas schiefgelaufen ist. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir uns in diesen Fällen auch außerhalb der Arbeitszeit anrufen, um so etwas zu klären. Auch weniger Arbeitstage können zu mehr Stress führen: Manchmal mache ich eine Sache noch schnell am Freitag fertig, um Zeit für die Übergabe zu sparen und meine Kollegin zu entlasten.

Für alle Seiten ist Jobsharing ideal: Mein Vorgesetzter ist glücklich, dass er mich halten konnte und wir uns so organisieren, dass wir unsere Arbeit gut erledigen. Meine Kollegin ist froh, dass sie als Mutter Job und Care-Arbeit vereinbaren kann. Und ich bin glücklich, weil ich kurz vor der Rente nicht mehr so viel arbeiten möchte. Dank Jobsharing habe ich die Möglichkeit dazu.

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