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Foto: VBG/Adobe Stock/VectorMine

Streiten? Aber richtig! 5 Tipps für Führungskräfte

Zoff im Büro kennen wir wohl alle. Die Konfliktmanagerin Dr. Andrea Hartmann-Piraudeau erklärt, warum er sogar zur Chance fürs Team werden kann.

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Gereizte Stimmung im Großraumbüro: Ein Projekt ist ins Stocken geraten. Schnell machen Schuldzuweisungen die Runde. Niemand will nachgeben. Schon wird’s laut – und persönlich: „Deine Rechthaberei nervt mich sowie schon lange“, schreit der eine. „Das sagt der Richtige“, keift die andere. Die Kolleginnen und Kollegen schauen verunsichert auf. Eine typische Konfliktsituation, sagt Andrea Hartmann-Piraudeau: „Das Büro ist kein Freundschaftsverein, wir können uns unsere Team-Mitglieder nicht aussuchen. Und manchmal treffen wir eben auf Menschen, mit denen wir nicht harmonieren. Weil unsere Werte unterschiedlich sind. Oder weil sie uns – bewusst oder unbewusst – an jemanden erinnern, mit dem wir negative Erfahrungen gemacht haben.“

Ohne Konflikte kein Fortschritt
Auch strukturelle Umstände können zu Reibereien führen, etwa wenn Zuständigkeiten, Abläufe und Kommunikationswege nicht klar definiert sind. Die gute Nachricht: Meinungsverschiedenheiten sind nicht per se etwas Schlechtes, im Gegenteil. Wenn man sie nüchtern betrachte, so Hartmann-Piraudeau, seien sie einfach ein Ausdruck davon, dass unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen: „Und genau das ist wichtig. Denn nur wenn wir Dinge hinterfragen, wenn es Widerspruch gibt, wenn jemand sagt: Ich sehe das anders – dann entsteht Bewegung, Innovation, Entwicklung. Ohne Konflikte gäbe es keine Demokratie, keine Fortschritte in Organisationen und auch keine persönliche Weiterentwicklung.“

Konflikte können Teams zusammenschweißen, sagt Dr. Andrea Hartmann-Piraudeau, Gründerin der CONSENSUS GmbH. (Foto: CONSENSUS group/Christine Harbig)

Für Führungskräfte heißt das: Sie müssen ein Umfeld schaffen, in dem konstruktive Auseinandersetzungen möglich sind, aber destruktive vermieden werden. Fünf Tipps von der Expertin, wie das gelingen kann:

1. Erste Hilfe: Raus aus der Situation!
Der Puls geht hoch, Ärger macht sich breit – und will sich Luft machen. Verhindern Sie das! Denn wenn die Emotionen hochkochen, sagen Sie möglicherweise Dinge, die Sie anschließend bereuen. Verlassen Sie stattdessen kurz den Raum, holen Sie tief Luft oder sagen Sie: „Das wird mir gerade zu viel. Lass uns gleich weitersprechen.“ Das hilft, Abstand zu gewinnen. Erst mit klarem Kopf lässt sich der Konflikt konstruktiv angehen. Als Führungskraft können Sie bei einem Streit so intervenieren: „Ich denke, wir sollten eine kurze Pause machen. Kommt anschließend bitte zu mir ins Büro, dann sprechen wir dort weiter.“

2. Warnzeichen ernstnehmen – nicht wegschauen!
Viele Konflikte starten klein: mit einem Missverständnis oder dem Gefühl, übergangen worden zu sein. Werden solche Situationen nicht frühzeitig geklärt, eskalieren sie und können ganze Teams lähmen – mit Auswirkungen auf die Leistung, die Stimmung und das persönliche Wohlbefinden. Sogar körperliche Symptome wie zum Beispiel Schlafstörungen können die Folge sein. Führung heißt hier: Nicht hoffen, dass sich Spannungen von selbst auflösen, sondern aktiv werden und das Gespräch suchen. Das zeigt, dass Ihnen das Miteinander wichtig ist, und schafft Vertrauen.

3. Wertschätzend zuhören statt urteilen!
Wenn es knallt, wollen alle erst mal ihren Standpunkt loswerden. Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es, zuzuhören – und zwar wirklich! Gehen Sie in Einzelgespräche, lassen Sie alle ausreden und signalisieren Sie echtes Interesse. Fragen Sie nach, wie sich die Beteiligten fühlen und was sie brauchen. So zeigen Sie: Hier wird niemand übergangen. Neutralität ist dabei unverzichtbar, sonst werden Sie schnell als „Verbündete“ oder „Verbündeter“ einer Seite gesehen, was die Situation verschärfen kann. Schuldzuweisungen sollten Sie unbedingt vermeiden!

4. Nach dem Warum fragen und gemeinsam Lösungen finden!
Nehmen Sie sich Zeit für einen echten Dialog, zwischen Tür und Angel lassen sich Konflikte selten lösen. Wiederholen Sie im Gespräch, was Sie verstanden haben. Das zeigt Respekt und hilft, Missverständnisse zu vermeiden. Wichtig ist, das Warum zu klären. Denn hinter jedem Streit steckt meist mehr als das Offensichtliche. Wer die wahren Motive kennt, kann außerdem viel leichter vermitteln. Fragen Sie nach: „Was ist dir dabei wichtig?“ oder „Worum geht es dir eigentlich?“ So kommen Sie weg vom Schwarz-Weiß-Denken und finden gemeinsam Lösungen, mit denen alle leben können. 

5. Konfliktkultur vorleben und fördern!
Eine konstruktive Konfliktkultur entsteht nicht über Nacht, sie wächst mit Vertrauen.
Als Führungskraft sind Sie Vorbild: Zeigen Sie, dass Fehler okay sind, Kritik willkommen ist und niemand Angst vor Konsequenzen haben muss. Führen Sie regelmäßige Teamgespräche ein, in denen es nicht um Fachliches, sondern um das Miteinander geht. So werden Spannungen früh erkannt und offen angesprochen.

Mehr erfahren? Können Sie hier:

  • Weitere Tipps zum Führen eines Konfliktgesprächs lesen Sie hier.
  • Das Seminarangebot „Sicher und gesund führen: So leiten Sie Konfliktgespräche!“ finden Sie auf der VBG-Website.
  • Informationen über die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung erhalten Sie hier.
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