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Christoph Stein
Foto: VBG/Cathrin Müller

GefährdungsbeurteilungDie größte Gefahr besteht darin, keine Gefährdungsbeurteilung zu machen

Die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung ist weit mehr als eine lästige Pflicht: Sie ermöglicht unternehmerisch verantwortungsvolles Handeln. Warum sie so wichtig ist und wie die VBG bei ihrer Durchführung unterstützt, erklärt VBG-Experte Christoph Stein. Die gesetzliche Unfallversicherung hält unterschiedliche Tools für verschiedene Zielgruppen und Bedürfnisse bereit.

Insgesamt 358.794 Arbeits­unfälle wurden im Jahr 2020 bei der VBG registriert, pandemievbedingt 23,1 Prozent weniger als im Vorjahr. 2019 belief sich die Zahl noch auf 466.419 Unfälle. Eines der Haupt­anliegen von Unternehmen sollte es sein, Arbeits­unfälle so gut es geht zu verhindern und der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten Priorität ein­zu­räumen. Denn nicht nur für die beteiligten Beschäftigten, auch für Arbeit­geberinnen und Arbeit­geber bringt der Ausfall von Kolleginnen und Kollegen gravierende Konsequenzen mit sich. „Etwa weil andere Mitarbeitende dann über­nehmen müssen, Arbeit liegen bleibt oder sich zumindest verzögert“, erklärt Christoph Stein. Auch wenn sich nicht alle Gefahren im Vorfeld erschließen und verhindern lassen, ist der Leiter des Fachbereichs Arbeits­sicherheit im Fach­bereich Prävention der VBG mehr als überzeugt: „Wer eine Gefährdungs­beurteilung macht, leistet einen großen Beitrag dazu, die Leistungs­fähigkeit und die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lang­fristig zu erhalten.“

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Gefährdungen kennen und vermeiden

Das gilt auch und insbesondere für die Arbeit im Büro. „Auf den ersten Blick sind die Gefährdungen im Büro­bereich im Vergleich zu anderen Branchen wie dem produzierenden Gewerbe oder dem Bau klein, dennoch sind sie wesentlich“, erklärt der Experte. „Die größte Gefahr ist vermutlich, den Bereich zu unter­schätzen, weil wir im Bürobereich in der Regel keine schwer­wiegenden Unfälle haben und akute Gefährdungen in den meisten Fällen mit Unfällen in Zusammen­hang gebracht werden.“

Dabei geht es bei der Gefährdungs­beurteilung um die systematische Ermittlung aller Gefährdungen, also auch der Belastungen, denen Beschäftigte unter­liegen. „Es ist wichtig, sehr genau heraus­zu­finden, welche individuellen Belastungen und Gefährdungen es im Unternehmen gibt“, macht Stein klar. Dabei müsse alles betrachtet werden, also das Mobiliar, die Software, die Hardware, das Arbeits­umfeld, die Arbeits­organisation und weitere Aspekte.

Viele Beschäftigte werden in den vergangenen zwei Jahren am eigenen Körper gespürt haben, dass es doch ein Unterschied ist, ob man auf dem Küchenstuhl sitzt oder auf einem Drehstuhl an einem vernünftigen Schreibtisch im Büro.
Christoph Stein, VBG-Experte

Belastungen sind vielfältig

Belastungen, die zum Beispiel aufgrund mangelhafter Ergonomie am Arbeits­platz entstehen, gehören genauso dazu wie psychische Belastungen, etwa durch die Groß­bau­stelle Homeoffice: „Viele Beschäftigte werden in den vergangenen zwei Jahren am eigenen Körper gespürt haben, dass es doch ein Unterschied ist, ob man auf dem Küchenstuhl sitzt oder auf einem Drehstuhl an einem vernünftigen Schreibtisch im Büro“, erläutert Stein.

Nicht ohne Grund sind deshalb alle Unternehmen dazu verpflichtet, eine Gefährdungs­beurteilung durch­zu­führen, unabhängig von ihrer Größe. „Kleinere Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten können eine vereinfachte Version einer Gefährdungs­beurteilung erstellen, weil die Anforderungen dort in der Regel ein bisschen anders sind als bei einem großen Unternehmen, das über gewisse Strukturen wie Abteilungen, Bereiche und Teams verfügt“, berichtet Stein.

Dennoch tun sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer mit diesem Thema nicht unbedingt leicht. „Wenn Sie den Begriff ‚Gefährdungs­beurteilung‘ in eine der gängigen Such­maschinen eingeben, finden Sie dort Millionen an Einträgen. Unter­nehmerinnen und Unter­nehmer, die sich da durch­forsten müssen, verlieren schnell den Überblick“, weiß der Fachmann.

Dabei muss das Rad oft nicht neu erfunden werden: Für gewöhnlich ähneln sich die Büros und ihre Ausstattung in Unternehmen. „Häufig gibt es so gut wie überall die gleichen Bild­schirme, Tastaturen, Computer und Büromöbel. In diesem Fall macht es natürlich keinen Sinn, sich jeden Arbeits­platz einzeln anzuschauen. Hier reicht es, einen davon genau zu analysieren und die Erkenntnisse dann auf die anderen zu übertragen“, macht Stein klar.

Auf Nummer sicher: Christoph Stein erklärt in einer Videokonferenz die Software GEDOKU
Auf Nummer sicher: Christoph Stein erklärt in einer Videokonferenz die Software GEDOKU.
Foto: VBG/Cathrin Müller

Hierbei unterstützt die VBG: „Im Basis­katalog Bildschirm- und Büro­arbeit der Software GEDOKU beispiels­weise sind die Bereiche erfasst, die eine Gefährdungs­beurteilung in den meisten Büros umfasst“, führt der Experte aus. Das Spektrum ist groß. Mögliche Gefährdungen reichen von der Gestaltung der Arbeit, also den Inhalten und Aufgaben, über das dies­bezüglich vorhandene Informations­angebot bis zu Aspekten wie Arbeits­zeit, Arbeits­ablauf oder sozialen Beziehungen. Ebenso berücksichtigt werden Raum­klima, Beleuchtung, Geräte und Software, natürlich die Büromöbel, aber auch Leitern und Tritte, die zum Einsatz kommen können. Die Materialien der VBG können natürlich nicht jede denkbare betriebliche Situation abbilden. Daher ist immer wieder der Blick auf die individuelle Situation im Betrieb wichtig. Diese kann in GEDOKU individuell ergänzt werden.

Sachkundige Kommunikation

Außerdem gilt: Die Gefährdungsbeurteilung ist ein lebendes Dokument – das heißt, es wird nicht einmal erstellt und bleibt dann für alle Tage gleich. Mindestens alle fünf Jahre sollte eine neue Gefährdungs­beurteilung durch­geführt werden, empfiehlt Stein. „Wenn sich beispiels­weise durch den Einsatz neuer Hardware Veränderungen ergeben, könnte dies Auswirkungen auf die Belastungen der Beschäftigten haben“, führt er aus.

Die Verantwortung für die Beurteilung liegt zwar eindeutig bei der Unternehmerin beziehungs­weise bei dem Unternehmer. Die Durch­führung hingegen soll dem Gesetz zufolge „sachkundig“ erfolgen. Bei einem kleinen Unternehmen unterstellt man der Unter­nehmens­leitung, dass diese die Arbeits­abläufe tatsächlich auch noch im Kleinen kennt. Bei größeren Unternehmen sind sowohl Führungs­kräfte, Beschäftigte, Betriebs­ärztinnen und -ärzte, Fach­kräfte für Arbeits­sicherheit und weitere relevante Akteurinnen und Akteure beteiligt. „Das größte Wissen bezüglich eines Arbeits­platzes haben sicherlich diejenigen, die dort täglich acht Stunden lang arbeiten“, so Stein.

Wie unterstützt die VBG?

Damit Mitgliedsunternehmen sich mit dem Thema Gefährdungsbeurteilung vertraut machen und diese durchführen können, hat die VBG mehrere Tools im Angebot. Hier geht es zu unseren Angeboten.

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