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Foto: Meike Rasmusson

Job Crafting: Ich mache mir die (Arbeits-)Welt, wie sie mir gefällt

Stillstand gibt es bei Meike Rasmusson nicht. Hier schreibt die Hamburger Designerin darüber, wann Veränderung nötig ist und wie sie auf die Motivation wirkt.

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Bei mir bleibt selten alles beim Alten. Mein beruflicher Weg ist geprägt von dem Wunsch, meine Arbeit nach meinen Bedürfnissen zu gestalten. Und heute, als Unternehmerin, achte ich auch bei meinem Team darauf, dass Anforderungen, Fähigkeiten und Lebensumstände gut zusammenpassen. Dass man das in der Wirtschaftspsychologie Job Crafting nennt, war mir gar nicht so bewusst. Ich mache das aus dem Bauch heraus.

Vom Angestelltenverhältnis zur Selbstständigkeit

Gestartet bin ich klassisch: Mit einer Ausbildung zur Mediengestalterin in einer kleinen Kölner Werbeagentur. Später habe ich dort die Leitung des Ateliers übernommen. In dieser Zeit habe ich erlebt, wie wertvoll es ist, wenn ein Chef Verantwortung abgibt, Ideen einfordert und jedem im Team Raum gibt, sich einzubringen. Als es der Agentur wirtschaftlich schlechter ging, bin ich zurück in meine Heimat im Sauerland gegangen und habe mich selbstständig gemacht. In erster Linie als Mediengestalterin. Aber weil mein Büro ein kleines Ladenlokal und ich schon immer gerne kreativ war, habe ich dort auch selbstgemachte Produkte verkauft, von Marmelade bis zu Taschen.

Der Weg zur eigenen Marke

Mit meinem Umzug nach Hamburg kam der nächste Umbruch: Hier, in der Werbemetropole, wollte ich nicht mehr als Grafikerin arbeiten – der Wettbewerb schien mir zu groß. Also habe ich mich auf handgemachte Produkte konzentriert und zum Beispiel auf Wochenmärkten gut verkauft. Aber dann wurde ich Mutter und beschloss, mich beruflich neu zu erfinden. Der offizielle Start meiner Marke Rasmussons war 2013. Richtig gestartet bin ich dann nach der Elternzeit, als mein Sohn in die Kita kam. Ich hatte mir ein kleines Büro gemietet und überlegt: Was machst du jetzt, was kannst du gut? Gestartet bin ich mit Papeterie, habe aber auch mit Lasertechnik experimentiert und Schriftzüge aus Holz gemacht oder Kissenbezüge und Taschen genäht. Ich habe eine Aushilfe eingestellt und war 2015 das erste Mal auf einer Händlermesse, um meine Marke in den Einzelhandel zu bringen. Es lief gut. Aber es war viel Arbeit für wenig Geld. Und der Druck, mit der Produktion hinterherzukommen und die Lieferzeiten einzuhalten, wuchs stetig. Ich stand vor der Frage: Investiere ich, um weiter wachsen zu können – oder steige ich wieder um auf den Direktvertrieb, wo meine Marge deutlich besser ist? Die Entscheidung fiel mir nicht schwer. Ich war an meine Grenzen gekommen, das tat mir nicht gut. Ich bin eben nicht so risikofreudig. Also richtete ich meine Arbeit, die nicht mehr zu mir passte, wieder mehr an meinen Bedürfnissen aus. Und zum Glück hatte ich parallel zum Einzelhandel unter www.rasmussons.de meinen eigenen Onlineshop gepflegt.

Meike Rasmusson ist der kreative Kopf hinter der vor allem für farbenfrohe Kleidung bekannten Marke „Rasmussons”. (Foto: Meike Rasmusson)

Wie kann ich meine Arbeit gestalten, damit sie in mein Leben passt?

 

Ich höre bei dieser Frage zu 99 Prozent auf mein Bauchgefühl. Ich habe keine besonderen Routinen zur Reflexion. Aber wenn ich plötzlich schlecht schlafe oder gereizt bin, dann weiß ich, ich muss etwas ändern. Genauso ist es auch im positiven Sinne: Wenn ich im Freibad eine Frau mit einem tollen Rock sehe, inspiriert mich das zu einer neuen Kollektion. Und natürlich richte ich meinen Arbeitstag an meinen persönlichen zeitlichen Kapazitäten aus. Meine Wochenstundenzahl habe ich zum Beispiel stets an das Alter und die Betreuungssituation meines Kindes angepasst. Job Crafting heißt für mich: aufmerksam bleiben. Möglichkeiten entdecken. Ausprobieren. Und es ist immer auch eine Chance. Zum Beispiel habe ich durch Zufall einen tollen Schneider in Hamburg kennengelernt. Dank ihm konnte ich 2017 mit meiner Kleidung so richtig durchstarten. Damit habe ich viel mehr verdient als mit den kleineren Produkten. Und das Geld hat mir die Freiheit geschenkt, neue Ideen umzusetzen und zu finanzieren. Und ich konnte meine Buchhaltung auslagern, um mehr Zeit für Kreativität zu haben.
 


Schwere Entscheidungen und richtige Prioritäten halfen mir aus der Krise

Im vergangenen Jahr war ich aus gesundheitlichen Gründen gezwungen, mich beruflich neu aufzustellen. Eine Kombination aus persönlichen Sorgen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten führte zu einer mittelschweren Depression und einem Burn-out. Wir mussten uns verkleinern: Rasmussons besteht jetzt nur noch aus drei statt sechs Leuten – und nur die profitabelsten Produkte durften im Sortiment bleiben. Was mir persönlich in dieser Zeit gut getan hat, war das Töpfern. Und dann habe ich mir im Sinne des Job Craftings überlegt, wie ich dieses persönliche Hobby auch in meinen Arbeitstag integrieren kann. Jetzt verkaufe ich in meinem Online-Shop auch Keramik und biete ab und zu Töpfer-Workshops an. Dank dieser Flexibilität habe ich es geschafft, mein Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen und gleichzeitig meine eigene Belastung zu verringern und wieder gesund zu werden.

Job Crafting als Chefin: Verantwortung teilen und Potenziale nutzen

Bei Rasmussons handhabe ich es so, wie ich es in meiner Ausbildung gelernt habe: Mein Team und ich arbeiten auf Augenhöhe und alle bringen sich ein. Und natürlich ist mir auch für meine Mitarbeitenden wichtig, dass sie ihre Aufgaben nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen gestalten können. Zum Beispiel habe ich eine Aushilfe für das Packen von Bestellungen eingestellt. Sie hatte aber Marketing studiert und war gelernte Fotografin – also habe ich sie gefragt, ob sie sich auch in diesen Bereichen einbringen möchte. Gerade hat sie mich sehr dabei unterstützt, unser neuestes Produkt, eine Überraschungsbox, zu konzeptionieren. Eine andere Kollegin hat selbstständig für uns gearbeitet, aber es lief nicht so gut. Ich habe ihr dann eine Teilzeitanstellung angeboten – und damit ging es ihr viel besser. Das Ergebnis: mehr Motivation, ein partnerschaftliches Miteinander und steigende Produktivität. Ich bin überzeugt: Wenn Mitarbeitende sich einbringen können, identifizieren sie sich stärker mit ihrer Arbeit, sind kreativer und zufriedener.

Nichts ist so wichtig, wie regelmäßig frischer Wind

Ich habe auf meinem beruflichen Weg gelernt, dass wir als Unternehmerinnen und Unternehmer stets offen für Veränderungen bleiben sollten. Wenn wir Arbeit flexibel gestalten und sowohl die Rahmenbedingungen als auch die Tätigkeiten an die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten anpassen, steigern wir bei uns und im Team die Motivation, die Zufriedenheit und den Erfolg des Unternehmens.
 

Fünf Tipps, wie Sie Job Crafting in Ihrem Team fördern können

Prof. Dr. Jutta Rump ist Expertin für Personalmanagement und Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) an der Hochschule Ludwigshafen. Sie verrät, wie Führungskräfte Job Crafting bei ihren Mitarbeitenden gezielt fördern können – für mehr Motivation und Zufriedenheit.

Prof. Dr. Jutta Rump leitet das Institut für Beschäftigung und Employability an der Hochschule Ludwigshafen. (Foto: Simon Wegener)

1. Vertrauen und Sicherheit schenken

Schaffen Sie ein Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeitende offen ihre Ideen einbringen und Veränderungen initiieren können. Fördern Sie eine Kultur, in der Experimente, individuelle Vorschläge und neue Arbeitsansätze ausdrücklich erwünscht sind und wertgeschätzt werden.

2. Stärken gezielt ansprechen

Nutzen Sie Entwicklungsgespräche, um individuelle Stärken, Interessen und Entwicklungspotenziale Ihrer Mitarbeitenden zu identifizieren. Legen Sie den Fokus darauf, die persönlichen Kompetenzen gezielt mit den Aufgabenfeldern im Unternehmen zu verknüpfen. So können Sie gemeinsam systematisch das Potenzial für sinnvolles Job Crafting entdecken.

3. Klare Rahmenbedingungen setzen

Job Crafting benötigt Freiraum, aber auch klare Leitplanken. Schaffen Sie Transparenz über Gestaltungsspielräume und Grenzen. Kommunizieren Sie offen, in welchen Bereichen Mitarbeitende eigenverantwortlich handeln können – und wo organisatorische oder rechtliche Grenzen bestehen.

4. Teamdynamik aktiv begleiten

Damit individuelles Job Crafting nicht zu Lasten anderer geht, sollten Sie ein Auge auf die Stimmung im Team haben. Ein regelmäßiger Austausch mit allen hilft dabei, Veränderungen transparent zu machen, Synergien besser zu nutzen und Rollenkonflikte früh zu erkennen.

5. Job Crafting strategisch verankern

Machen Sie Job Crafting zum festen Bestandteil Ihrer Personal- und Organisationsentwicklung. Entwickeln Sie gemeinsam mit dem Personalmanagement gezielte Maßnahmen – etwa durch Pilotprojekte, Trainings oder die Integration in Kompetenzmodelle –, um individuelles Engagement systematisch zu fördern.

Job Crafting: Was genau steckt hinter dem Trend?

Job Crafting bedeutet, dass Mitarbeitende ihren Job aktiv so mitgestalten, dass er besser zu ihnen passt.
 

Schon kleine Anpassungen der Tätigkeiten, Rahmenbedingungen oder in der Zusammenarbeit können sich positiv auf die Motivation und Zufriedenheit auswirken – was wiederum der Produktivität und dem Unternehmenserfolg zugutekommt.
 

Für Unternehmerinnen und Unternehmer lohnt es sich deswegen, Job Crafting zu fördern: Der Trend ist ein echter Innovationsmotor! Wer seinen Job mitgestalten darf, bleibt in der Regel engagierter, kreativer und dem Unternehmen länger treu.

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