
Herr Dr. Petersen, im April stellte die Bundesregierung den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard vor, der Unternehmen und ihren Beschäftigten die Sicherheit geben soll, ihre Arbeit nach Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie wiederaufzunehmen. Im August wurde der Standard durch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel weiter konkretisiert. Was bedeutet das für Unternehmen?
Beide sind als große Hilfe für alle Unternehmen, in diesen besonderen Zeiten die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen, zu sehen. Der Standard war kein Gesetz oder eine Verordnung mit verbindlichem Rechtscharakter und auch keine technische Regel. Er galt vielmehr als Richtschnur zur Auslegung des Arbeitsschutzgesetzes, also die allgemeine Vorgabe, die Unternehmen dann jeweils auf die bei ihnen gegebenen Arbeitsbedingungen herunterbrechen mussten. Bei Einhaltung der Arbeitsschutzregel können Unternehmen davon ausgehen, dass sie die Anforderungen des Arbeitsschutz- und des Infektionsschutzgesetzes an die aktuelle epidemische Lage erfüllen. Jedes Unternehmen ist beispielsweise dazu verpflichtet, ein individuelles Hygienekonzept umzusetzen.

Facharzt für innere Medizin und Arbeitsmedizin: Dr. Jens Petersen ist seit 1995 für die VBG tätig.
Foto: VBG/Oliver HardtWie hilft die VBG ihren Mitgliedern dabei, ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nachzukommen?
Indem wir über Verantwortlichkeiten, Pflichten und Verhaltensweisen sowie deren konkrete Umsetzungsmöglichkeiten informieren. Die Infektionsgefährdung ist dank des neuen Standards Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers zur betrieblichen Pandemieprävention geworden. Wir bieten sowohl allgemeine Muster für Hygienepläne, Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungshilfen als auch branchenspezifische Handlungshilfen für Bühnen und Studios, Bildungseinrichtungen, Büros und Callcenter, Glas und Keramik, Kreditinstitute, ÖPNV und Bahnen und viele weitere Branchen. Kleinen Betrieben helfen wir beispielsweise mit dem Praxis-Check „Gesund und sicher durch die Pandemie“. Außerdem beraten wir zu diesen Themen persönlich, denn die VBG hat ihren Außendienst wiederaufgenommen.
Für welche Branchen gibt es besondere Herausforderungen?
Eigentlich ist jede Branche gefordert. Der Grad der Gefährdung mag unterschiedlich sein, was die Möglichkeit einer Infizierung mit dem Coronavirus angeht. Aber die Herausforderung ist für alle Unternehmen gleich, unternehmensspezifische Hygienepläne zu erstellen oder Organisationsmaßnahmen zu treffen, um Gefährdungen zu minimieren. Besonders gefährdete Bereiche sind diejenigen, in denen die Arbeitsbedingungen wenig kontrolliert werden können oder wo direkter Kontakt mit Kundinnen und Kunden besteht.
Die Hilfen der VBG werden permanent aktualisiert. Warum?
Wie wir jetzt auch sehen, durchläuft die Pandemie verschiedene Phasen, sodass die Tätigkeit in den Arbeitsstätten Unternehmen immer wieder vor andere Herausforderungen stellt. Daher finden je nach Status der Pandemie Aktualisierungen statt, die neue Erkenntnisse berücksichtigen. Da immer neue Erkenntnisse über das Virus gewonnen werden, müssen neue Daten berücksichtigt und manche Empfehlungen auch revidiert werden. Zum Beispiel haben wir zu Anfang gedacht, dass die Flächendesinfektion eine besonders große Rolle spielt. Seit einiger Zeit wissen wir, dass eine regelmäßige Reinigung ausreichend ist. Solche Erkenntnisse haben großen Einfluss auf die Organisationsprozesse in Unternehmen.
Eigentlich ist jede Branche gefordert. Der Grad der Gefährdung mag unterschiedlich sein, was die Möglichkeit einer Infizierung mit dem Coronavirus angeht. Aber die Herausforderung ist für alle Unternehmen gleich.
Mit welchen Fragen wenden sich Unternehmensleitungen, Fachkräfte und Betriebsärzte und -ärztinnen denn momentan besonders stark an die VBG?
Das ist einmal der Fragenkomplex zu Risikopersonen. Viel wird auch nach den Möglichkeiten von Testungen und Abstrichen in Unternehmen gefragt. Gesprächsbedarf gibt es außerdem rund um „Atemschutz und Mund-Nasen-Bedeckungen, Erster Hilfe, Belüftung und arbeitsmedizischer Vorsorge“.
Sie arbeiten in einer für Arbeitsmedizinerinnen und -medizinern herausfordernden, aber auch sehr spannenden Zeit. Haben Sie während Ihrer Karriere vergleichbare Situationen erlebt?
Im Grunde ja, wir haben in den letzten Jahrzehnten bereits die Schweinegrippe und die erste SARS-Pandemie erlebt. Insofern haben wir reichhaltige Erfahrung in der Betriebsbetreuung zu diesem Thema. Das Prinzip, dass ein Erreger sich epidemisch oder pandemisch ausbreitet, ist immer gleich. Dennoch stellt die rasante und massive Ausbreitung des SARS CoV-2-Virus eine ganz besondere Situation dar.
Verändert das auch die Rolle der Arbeitsmedizin?
Mit Sicherheit. Betriebsärztinnen und -ärzte können gerade jetzt viele Herausforderungen der Unternehmen lösen, was einen gesunden und guten Neustart angeht. Früher war die Arbeitsmedizin eher untersuchungsbetont und auf die klassischen Gefahrstoffe fokussiert. Heute hat auch die arbeitsmedizinische Vorsorgeberatung einen höheren Stellenwert. Sie stellt die Gesundheit der Beschäftigten in den Mittelpunkt und ist zur umfassenden Beratungsmedizin auch mit Anwendung telemezinischer Methoden geworden.
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Was Sie jetzt wissen sollten: www.vbg.de/coronavirus
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