
Herr Belz, warum brauchen Unternehmen ein systematisches Wiedereingliederungsmanagement?
Wer arbeitet, kann auch einmal krank werden. Im Regelfall gelingt die Rückkehr an den Arbeitsplatz schnell und ohne Probleme. Gerade bei längeren oder häufigeren Ausfallzeiten ist es jedoch sinnvoll, den Beschäftigten Unterstützung anzubieten. So ein wertschätzender Umgang wird auch von der übrigen Belegschaft positiv wahrgenommen, was wiederum das Betriebsklima massiv beeinflusst. Darüber hinaus bietet ein BEM Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern eine erhöhte wirtschaftliche Planungssicherheit.

Tobias Belz berät Mitgliedsunternehmen der VBG zur Schaffung von Strukturen für die Umsetzung vom BEM. Er koordiniert das Präventionsfeld Gesundheit mit System der VBG und leitet das Sachgebiet Beschäftigungsfähigkeit im Fachbereich Gesundheit im Betrieb der DGUV.
Foto: Dominik BuschardtWie läuft das konkret ab?
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, Beschäftigten, die innerhalb von zwölf Monaten mehr als sechs Wochen lang arbeitsunfähig waren, ein BEM anzubieten. Irrelevant ist dabei, ob die sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit am Stück bestanden oder sich durch wiederholte Ausfälle ergaben. Und: Das Angebot kann auch schon früher erfolgen. Für die Arbeitnehmenden ist die Teilnahme am BEM absolut freiwillig. Zentral ist dabei die Frage, ob der Arbeitsplatz gesundheitsgerecht angepasst wird oder ob die Beschäftigten andere Aufgaben übernehmen können. Einem Erstgespräch mit einer Vertrauensperson folgt ein Maßnahmenplan, der gemeinsam mit allen Beteiligten, die bei der Wiedereingliederung unterstützen können, wie beispielsweise der Betriebsärztin oder dem Betriebsarzt, festgelegt wird. Ob weitere Personen am BEM beteiligt werden, obliegt der Entscheidung der BEM-berechtigten Person. Im gesamten Prozess sind Datenschutz und Vertraulichkeit unabdingbar.
Welche Unterstützung gibt es von der VBG?
Die VBG bietet ausführliche Informationen und Beratung durch ihre Expertinnen und Experten. Diese unterstützen sowohl bei der systematischen Umsetzung vom BEM im Betrieb als auch in konkreten Einzelfällen.
Sind Sie zufrieden mit dem derzeitigen Umsetzungsgrad?
In den letzten Jahren hat sich viel getan. Dennoch haben insbesondere viele kleinere Betriebe noch kein BEM installiert, auch weil sie es als gesetzliche Notwendigkeit und weiteren Formalismus und nicht als Unterstützung begreifen. Einem Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zufolge stehen auch viele Beschäftige dem BEM häufig noch kritisch gegenüber. Ich wünsche mir, dass das BEM künftig gedanklich nicht mit Krankheit, sondern mit Gesunderhaltung und Beschäftigungsfähigkeit in Zusammenhang gebracht wird.
Wie meinen Sie das konkret?
Vor Kurzem erlitt ein Bankangestellter auf dem Weg zur Arbeit einen schweren Fahrradunfall. Er zog sich dabei erhebliche Verletzungen der Halswirbelsäule zu. Im Rahmen der Wiedereingliederung wurden die ergonomischen Bedingungen an seinem Arbeitsplatz optimiert. Dabei fiel auf, dass auch die übrigen Arbeitsplätze Optimierungsbedarfe aufwiesen. Die vom Unternehmen daraufhin ergriffenen Maßnahmen kamen allen Beschäftigten des Unternehmens zugute. Den Anstoß jedoch gab die Wiedereingliederung einer einzelnen Person nach einer langen, unfallbedingten Ausfallzeit.
Ende 2019 erschien der aktuelle Gesundheitsreport des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK). Die Datenanalyse von acht Millionen Versicherten, darunter vier Millionen Beschäftigte, ergab:
- Die durchschnittlichen krankheitsbedingten Fehltage der Erwerbstätigen sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich von 17,7 auf 18,5 angestiegen.
- Muskel- und Skeletterkrankungen sind für 23,8 % der Arbeitsunfähigkeitstage verantwortlich.
- Ältere Beschäftigte werden nicht häufiger krank als jüngere, die Krankheitsdauer pro Fall nimmt allerdings mit steigendem Lebensalter deutlich zu.
Eine FAQ zum Thema finden Sie hier.
Weitere Infos unter vbg.de/bem.
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