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Jennifer Wahlert sitzt in der TUI-Arena
Foto: VBG/Patrick Runte

PARTY-PATROUILLE: Jennifer Wahlert behält alles im Blick – wie hier bei Udo Lindenberg in der TUI-Arena

Sicherheit bei KonzertenUdos Beschützer

Wenn andere feiern, passen sie auf. Doch wie behält die Security bei Konzerten mit Tausenden Gästen die Kontrolle? Ein Abend mit einer Sicherheitsmitarbeiterin – und Udo Lindenberg.

Es dröhnt, scheppert, knallt: Die „Panik 1“ glüht im Erdorbit, nimmt Kurs auf die TUI-Arena in Hannover. Feuer­fontänen und Rauch schießen hoch, als das Flugzeug auf die Bühne donnert. Acht Tänzerinnen springen aus der Luke, Udo Lindenberg sinkt in einer Raum­kapsel von der Decke. 12.000 Menschen feiern den 73-jährigen Rocker und seine Band, das Panik­orchester. Nur einige Dutzend Aufpasser bleiben ruhig: Jennifer Wahlert und ihr Team von ToSa Security & Service achten darauf, dass hier keine echte Panik entsteht.

Panik bitte nur auf der Bühne

Rückblende, drei Stunden vor Konzert­beginn. Bevor Udo loslegen kann, bereiten rund 100 Sicher­heits­kräfte zusammen mit dem Veranstalter Hannover Concerts den Abend vor. Manche ziehen sich noch ihr blaues Poloshirt an, testen ihr Funkgerät. Eine von ihnen ist Jennifer Wahlert. Die 24-jährige Projekt­leiterin ist heute verantwortlich für zwölf Sicher­heits­leute. Sie werden vor der Bühne die Menge im Blick behalten.

„Unsere Arbeit beginnt schon zwei Tage vor dem Konzert“, erklärt Wahlert. „Wir besetzen die Pforte und checken alles, was reinkommt.“ Das gilt auch für Lindenbergs Crew, die mit mehreren Trucks und Nightlinern anrückt. Selbst die Gastro muss an den wachsamen Augen der ToSa-Leute vorbei. „Der Einzige, der nicht durch­sucht wird, ist Udo selbst“, sagt Wahlert, während ihr Team die Abgrenzungen für den Einlass aufbaut. Beobachtet werden die Sicher­heits­kräfte dabei von den wohl treuesten Fans, die schon seit dem Vortag vor der Arena campen.

Wahlert kontrolliert Konzertgäste
Tuchfühlung – Taschen auf, Arme hoch: Jennifer Wahlert tastet die Gäste ab. Bei Metall schlägt der Detektor aus. Foto: VBG/Alexander Koerner
Wahlert kontrolliert einen Rucksack
Entwarnung: nichts Verbotenes im Rucksack. Foto: VBG/Alexander Koerner
Frau Wahlert beim Kontrollgang durch die Halle
Im Rampenlicht – Die Halle füllt sich, Vorfreude liegt in der Luft. Wahlert macht einen letzten Kontrollgang durch den Stehbereich vor der Bühne. Foto: VBG/Alexander Koerner
Wahlert im Halbdunkel des Konzerts
Schöne Momente im Schummerlicht: Vom Konzert selbst bekommt Jennifer Wahlert nur wenig mit. Foto: VBG/Alexander Koerner

Lauter Lindenbergs im Publikum

Julia Lehning-Sendian, Geschäftsführerin von ToSa, schart ihre Leute um sich, gibt letzte Anweisungen: keine stark alkoholisierten Menschen, keine Taschen größer als DIN A4, keine Profi­kameras, keine spitzen Gegen­stände, kein Glas, keine Flaschen über 0,5 Liter. „Außerdem dürfen Gäste ihre Flasche nur ohne Deckel in der Hand halten“, erklärt sie. So tauge die Flasche nicht als Wurf­geschoss und werde am Boden nicht zur Stolper­falle, weil sie nach­gibt. Regeln, von denen auch Traditionen nicht aus­genommen sind: Einmal stapelten sich bei einem schottischen Tanz­event die Messer im Ablage­raum. „Die gehörten zur Tracht, durften aber natürlich nicht mit hinein“, erzählt Wahlert.

Dann geht’s los. In zwölf Schlangen reihen sich die Gäste vor der Arena auf. Ganz vorne dabei: Udo-Fans mit Hut und Sonnen­brille, sie wollen gleich in der ersten Reihe stehen. Beim Einlass laufen karibische Rhythmen. „Das sorgt für gute Laune“, so Wahlert. Die Sicher­heits­kräfte begrüßen jeden Einzelnen freundlich, lassen sich die Tickets zeigen, suchen die Fans mit Metall­scannern ab, wünschen ihnen einen schönen Abend. „Freundlichkeit ist das Wichtigste. Wir fragen, ob wir in die Tasche schauen dürfen. Das wirkt von vorn­herein deeskalierend“, sagt Wahlert.

Schöne Momente schaffen

Und wenn doch mal jemand provoziert? „Dann reden wir beruhigend, aber bestimmt auf die Person ein.“ In härteren Fällen kommt die Bereichs­leitung und führt das Gespräch auf die nächste Autorität­sebene. Eskaliert eine Situation dennoch, hält die Security den Aggressor fest und ruft die Polizei. Das passiere aller­dings sehr selten, so Wahlert.

Die junge Hannoveranerin ist mit gerade einmal 1,55 Meter Körper­größe ein gutes Beispiel dafür, dass das Klischee vom bulligen, grimmigen Türsteher oft nicht zutrifft. „Bei uns sind etwa die Hälfte der Einsatz­kräfte Frauen. Statt Muskeln und Körper­größe zählen in meinem Job eher Team­work, Sorgfalt und eine gute Aus­bildung“, sagt sie. Wahlert ist versiert darin, auf Signale zu achten: ein hektischer Blick, eine plötzliche Geste, ein schwächelnder Mensch in der Menge. Was ihr an ihrer Arbeit gefällt? „Ich mag die Abwechslung und Menschen haben dank uns mit einem sicheren Gefühl schöne Momente.“ Wie zuletzt, als ihr Team es einem schwerkranken Fan ermöglichte, die Backstreet Boys noch einmal live zu erleben – vom Bett aus.

Der Vorraum der Arena kurz vor dem Konzert
Im Eingangsbereich sollte eine stressfreie Atmosphäre herrschen. Bei Udos Konzert hilft karibische Musik. Foto: VBG/Alexander Koerner
Wahlert und ihre Kolleginnen
Etwa die Hälfte aller Einsatzkräfte bei ToSa sind weiblich. Foto: VBG/Alexander Koerner
Wahlert kommuniziert per Funkgerät
Ständiger Begleiter: das Funkgerät. Foto: VBG/Alexander Koerner
Wahlert im Gespräch mit einem Kollegen
Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke gehören zum Job. Foto: VBG/Alexander Koerner

Alles klar am Wellenbrecher

Die Arena füllt sich. Für ToSa-Verhältnisse ist das Lindenberg-Konzert Tages­geschäft. Die Firma betreut sonst Open-Air-Events mit bis zu 80.000 Menschen, zuletzt Rammstein, Pink, Eminem, Ed Sheeran. Wahlert bittet noch kurz Gäste von der Kaiser­treppe, dem zentralen Fluchtweg. Dann schiebt sie sich im Schummer­licht durch die Menge, Spots tauchen sie in Violett und Gelb, Vorfreude liegt in der Luft. Barrikaden, auch Wellen­brecher genannt, unterteilen den Steh­bereich in kleinere Abschnitte. Letzter Check mit Marco Siegmund, dem ToSa-Mann vor der Bühne: Alles klar? Er hebt den Daumen. „Und wie!“, ruft er, „Die Fans sind gut drauf, alle haben Bock auf eine gute Show. So muss es sein.“ Es ertönt ein Knall, dann legt er los, der Mann mit Hut: Freude, keine Panik.

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