
PARTY-PATROUILLE: Jennifer Wahlert behält alles im Blick – wie hier bei Udo Lindenberg in der TUI-Arena
Es dröhnt, scheppert, knallt: Die „Panik 1“ glüht im Erdorbit, nimmt Kurs auf die TUI-Arena in Hannover. Feuerfontänen und Rauch schießen hoch, als das Flugzeug auf die Bühne donnert. Acht Tänzerinnen springen aus der Luke, Udo Lindenberg sinkt in einer Raumkapsel von der Decke. 12.000 Menschen feiern den 73-jährigen Rocker und seine Band, das Panikorchester. Nur einige Dutzend Aufpasser bleiben ruhig: Jennifer Wahlert und ihr Team von ToSa Security & Service achten darauf, dass hier keine echte Panik entsteht.
Panik bitte nur auf der Bühne
Rückblende, drei Stunden vor Konzertbeginn. Bevor Udo loslegen kann, bereiten rund 100 Sicherheitskräfte zusammen mit dem Veranstalter Hannover Concerts den Abend vor. Manche ziehen sich noch ihr blaues Poloshirt an, testen ihr Funkgerät. Eine von ihnen ist Jennifer Wahlert. Die 24-jährige Projektleiterin ist heute verantwortlich für zwölf Sicherheitsleute. Sie werden vor der Bühne die Menge im Blick behalten.
„Unsere Arbeit beginnt schon zwei Tage vor dem Konzert“, erklärt Wahlert. „Wir besetzen die Pforte und checken alles, was reinkommt.“ Das gilt auch für Lindenbergs Crew, die mit mehreren Trucks und Nightlinern anrückt. Selbst die Gastro muss an den wachsamen Augen der ToSa-Leute vorbei. „Der Einzige, der nicht durchsucht wird, ist Udo selbst“, sagt Wahlert, während ihr Team die Abgrenzungen für den Einlass aufbaut. Beobachtet werden die Sicherheitskräfte dabei von den wohl treuesten Fans, die schon seit dem Vortag vor der Arena campen.
Lauter Lindenbergs im Publikum
Julia Lehning-Sendian, Geschäftsführerin von ToSa, schart ihre Leute um sich, gibt letzte Anweisungen: keine stark alkoholisierten Menschen, keine Taschen größer als DIN A4, keine Profikameras, keine spitzen Gegenstände, kein Glas, keine Flaschen über 0,5 Liter. „Außerdem dürfen Gäste ihre Flasche nur ohne Deckel in der Hand halten“, erklärt sie. So tauge die Flasche nicht als Wurfgeschoss und werde am Boden nicht zur Stolperfalle, weil sie nachgibt. Regeln, von denen auch Traditionen nicht ausgenommen sind: Einmal stapelten sich bei einem schottischen Tanzevent die Messer im Ablageraum. „Die gehörten zur Tracht, durften aber natürlich nicht mit hinein“, erzählt Wahlert.
Dann geht’s los. In zwölf Schlangen reihen sich die Gäste vor der Arena auf. Ganz vorne dabei: Udo-Fans mit Hut und Sonnenbrille, sie wollen gleich in der ersten Reihe stehen. Beim Einlass laufen karibische Rhythmen. „Das sorgt für gute Laune“, so Wahlert. Die Sicherheitskräfte begrüßen jeden Einzelnen freundlich, lassen sich die Tickets zeigen, suchen die Fans mit Metallscannern ab, wünschen ihnen einen schönen Abend. „Freundlichkeit ist das Wichtigste. Wir fragen, ob wir in die Tasche schauen dürfen. Das wirkt von vornherein deeskalierend“, sagt Wahlert.
Schöne Momente schaffen
Und wenn doch mal jemand provoziert? „Dann reden wir beruhigend, aber bestimmt auf die Person ein.“ In härteren Fällen kommt die Bereichsleitung und führt das Gespräch auf die nächste Autoritätsebene. Eskaliert eine Situation dennoch, hält die Security den Aggressor fest und ruft die Polizei. Das passiere allerdings sehr selten, so Wahlert.
Die junge Hannoveranerin ist mit gerade einmal 1,55 Meter Körpergröße ein gutes Beispiel dafür, dass das Klischee vom bulligen, grimmigen Türsteher oft nicht zutrifft. „Bei uns sind etwa die Hälfte der Einsatzkräfte Frauen. Statt Muskeln und Körpergröße zählen in meinem Job eher Teamwork, Sorgfalt und eine gute Ausbildung“, sagt sie. Wahlert ist versiert darin, auf Signale zu achten: ein hektischer Blick, eine plötzliche Geste, ein schwächelnder Mensch in der Menge. Was ihr an ihrer Arbeit gefällt? „Ich mag die Abwechslung und Menschen haben dank uns mit einem sicheren Gefühl schöne Momente.“ Wie zuletzt, als ihr Team es einem schwerkranken Fan ermöglichte, die Backstreet Boys noch einmal live zu erleben – vom Bett aus.
Alles klar am Wellenbrecher
Die Arena füllt sich. Für ToSa-Verhältnisse ist das Lindenberg-Konzert Tagesgeschäft. Die Firma betreut sonst Open-Air-Events mit bis zu 80.000 Menschen, zuletzt Rammstein, Pink, Eminem, Ed Sheeran. Wahlert bittet noch kurz Gäste von der Kaisertreppe, dem zentralen Fluchtweg. Dann schiebt sie sich im Schummerlicht durch die Menge, Spots tauchen sie in Violett und Gelb, Vorfreude liegt in der Luft. Barrikaden, auch Wellenbrecher genannt, unterteilen den Stehbereich in kleinere Abschnitte. Letzter Check mit Marco Siegmund, dem ToSa-Mann vor der Bühne: Alles klar? Er hebt den Daumen. „Und wie!“, ruft er, „Die Fans sind gut drauf, alle haben Bock auf eine gute Show. So muss es sein.“ Es ertönt ein Knall, dann legt er los, der Mann mit Hut: Freude, keine Panik.
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