Logo Certo
Illustration: Miniatur-Menschen mit Checklisten stehen vor einem übergroßen Bildschirm.
Foto: Adobe Stock / sabelskaya

Psychische GesundheitWarn-Ampel: Neuer Fragebogen erleichtert Gefährdungsbeurteilung

Wer eine Gefährdungsbeurteilung durchführt, kommt am Thema psychische Belastung nicht vorbei. Wie ein neuer Fragebogen Unternehmen bei der Umsetzung hilft, erklärt Ulf Krummreich, Arbeitspsychologe bei der VBG.

Illustration: Ulf Krummreich

Ulf Krummreich ist seit 2008 als Arbeitspsychologe bei der VBG tätig.

Foto: Privat

Herr Krummreich, warum haben viele Unternehmen noch immer Berührungsängste, wenn es um den Bereich psychische Belastungen geht?

Psyche hat den Nimbus, dass es um etwas geht, was in mir als Mensch passiert: Irgendwer möchte herausfinden, ob es mir nicht gut geht. Aber das ist ein Missverständnis. Bei der Beurteilung psychischer Belastung geht es nicht darum herauszufinden, welche Auswirkungen die Belastungen am Arbeitsplatz bisher schon gezeigt haben – sprich die Beanspruchung zu erheben. Es geht vielmehr darum zu schauen, welche Belastungen eine bestimmte Gestaltung von Arbeit potenziell hervorrufen kann und ob ebendiese eine Gefährdung darstellt. Der Mensch ist dabei ein Teil des Messverfahrens.

Und damit tun sich viele Unternehmen schwer?

Genau. Weil sie oft vor der Frage stehen: Wie messe ich psychische Belastung eigentlich? Beispielsweise ist es für viele Führungskräfte schwierig, sich bei ihren Mitarbeitenden nach ihrem Befinden zu erkundigen und so im Zweifel auch ihren eigenen Führungsstil zu hinterfragen. Das bringt eine gewisse Angst mit sich. Dabei unterschätzen viele Unternehmen psychische Erkrankungen und denken nicht an die Folgekosten, die immens sind: In Deutschland haben wir den höchsten Anteil an Frühverrentungen und die längsten Ausfallzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen. Das ist eine Tendenz, die sich auch in anderen westlichen Industrienationen zeigt. 

Mitarbeiterbefragungen sind eine Möglichkeit für Unternehmen, potenzielle Gefährdungen festzustellen. Die VBG erweitert ihr Hilfsangebot jetzt um einen neuen Fragebogen zur Gefährdungsbeurteilung psychischen Belastungen. Warum?

Viele der Fragebögen am Markt wurden in den 1970er-Jahren validiert. Damals war die Arbeitssituation vor allem in Hinblick auf Arbeitsverdichtung und Kommunikation eine ganz andere. Der neue Fragebogen, kurz FGBU, ist zeitgemäß, entspricht dabei trotzdem eins zu eins der bisherigen Leitlinie der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) und deckt alle Merkmalsbereiche ab, die eine Gefährdungsbeurteilung umfassen sollte. Belastende Faktoren von Arbeitsinhalt, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit und  soziale Beziehungen zu  Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten werden ebenso valide erhoben wie Ressourcen – Beispielsweise Handlungsspielraum und soziale Unterstützung. Hinzu kommt der Bereich der äußeren Tätigkeitsfaktoren, wie den Arbeitsmitteln und der Arbeitsumgebung, welche ebenfalls psychisch einwirken. Der FGBU stellt eine sehr gute Orientierungshilfe für betriebliche Praktiker dar und gibt konkrete Hinweise, wann gehandelt werden sollte. Genutzt wird ein Ampelsystem: Steht es auf Rot, ist damit das Risiko einer langfristig negativen Folge, wie etwa einer Erkrankung, deutlich erhöht. Gezielte Analysen und Maßnahmenableitungen in Form von Workshops können Abhilfe schaffen.

„Der Riesenvorteil des Online-Tools und auch ein Alleinstellungsmerkmal ist: Jedes Unternehmen kann selbständig einen Account für die Mitarbeiterbefragung anlegen.“
Ulf Krummreich, VBG-Arbeitspsychologe

Die VBG stellt ihren Mitgliedsunternehmen den FGBU als Online-Fragebogen zur Verfügung. Welchen Vorteil hat das? 

Der Riesenvorteil des Online-Tools und auch ein Alleinstellungsmerkmal ist: Jedes Unternehmen kann selbstständig seinen eigenen Account für die Befragung anlegen – und zwar kostenlos. Die VBG bekommt, wenn gewünscht, keinerlei Ergebnisse mitgeteilt. Das Vorgehen ist dabei denkbar einfach: Haben Sie als Unternehmen Ihren Account eingerichtet, gibt Ihnen das System eine Anleitung an die Hand, um eine Mitarbeiterbefragung zu generieren, und führt Sie dann weiter durch den Fragebogen. Dabei haben Sie auch die Möglichkeit, Zusatzfragen anzulegen, beispielsweise in Bezug auf Corona oder Homeoffice. Anschließend müssen Sie nur noch festlegen, an welche E-Mail-Adressen der Link zum Fragebogen gesendet werden soll, und schon kann es losgehen. Alle Mitarbeitenden erhalten diesen Link und einen Code per Mail und können sich so online in das System einloggen. Die Befragung endet nach einem selbst definierten Zeitpunkt. Oder standardisiert nach drei Wochen.

Wie geht es dann weiter? 

Das hängt in erster Linie von den Ergebnissen ab: Wenn die Befragung keine oder wenig Probleme aufzeigt, können die Ergebnisse dokumentiert und als Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung dokumentiert werden. Sollte die Befragung aber auch problematische Belastungen aufzeigen, so sind weitere Schritte in Form von Workshops oder anderen Maßnahmen angezeigt. Mit den Ergebnissen des Fragebogens lassen sich die betroffenen Bereiche einschränken, in denen der Handlungsbedarf groß ist. Das erleichtert den zeitlichen Aufwand. So können die Führungskräfte zeitnah mit den Mitarbeitenden der jeweiligen Abteilung in den Austausch gehen und Schritt für Schritt gemeinsam zukunftsweisende Lösungen für einen gesunden Arbeitsplatz erarbeiten.

Sie wollen mehr über psychische Belastungen am Arbeitsplatz erfahren? Dann lesen Sie auch diesen Artikel zum Thema. Tipps für die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung und zu weiterführenden Qualifizierungs- und Beratungsangeboten der VBG erhalten Sie hier.

Veröffentlicht am

Das könnte Sie auch interessieren

Certo durchsuchen...