
Wegen einer Erkältung zu Hause bleiben? Das kommt für viele Beschäftigte oft nicht infrage. Fehlende Vertretungsregelungen, die Sorge vor einem eventuellen Jobverlust oder ein sehr hohes Pflichtbewusstsein können Gründe für „Präsentismus“ – also die Anwesenheit im Büro trotz Krankheit – sein. Doch wer mit Halsweh, Husten oder Schnupfen zur Arbeit geht, ignoriert nicht nur die eigenen gesundheitlichen Grenzen und die seines Arbeitsumfelds, sondern schadet auch dem Unternehmen. Kranke Beschäftigte sind weniger leistungsfähig. Es kommt zu Produktivitätsverlusten, und langfristig steigt das Risiko für Arbeitsunfähigkeit.
Welche Vorbildrolle haben Führungskräfte, und wie lässt sich Präsentismus vorbeugen?
Tipp 1: Kranksein möglich machen
Es ist immer wichtig, zu hinterfragen, warum Beschäftigte krank zur Arbeit kommen. Bleibt die Arbeit im Krankheitsfall liegen, da es keine geregelte Vertretung gibt? Sind alle so ausgelastet oder arbeiten so eng getaktet, dass die Vertretungsregelung auf dem Papier in der Praxis nicht greift? Müsste ich nach meiner Krankheit Überstunden leisten, um die liegen gebliebenen Aufgaben aufzuarbeiten? Lautet die Antwort Ja, ist es wahrscheinlich, dass Beschäftigte auch krank zum Dienst erscheinen. Umso wichtiger ist es, Arbeit so zu organisieren, dass Puffer für mögliche Ausfalltage eingeplant werden, praktikable Vertretungen klar geregelt sind und die entsprechenden Personen auch qualifiziert sind, die zu vertretenden Aufgaben zu erfüllen. Wichtige Informationen müssen für alle Betroffenen transparent zugänglich sein.
Tipp 2: Vorbild Führungskraft
Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Sitzen Chefin oder Chef schniefend und hustend im Meeting, setzen sie das Zeichen, dass zum Kranksein keine Zeit bleibt und dass ein Ansteckungsrisiko noch lange kein Grund ist, zu Hause zu bleiben. Beschäftigte eifern diesem falschen Vorbild nach und kommen ebenfalls krank zu Arbeit. Um die Gesundheitskompetenz der Beschäftigten zu fördern, ist es somit umso wichtiger, seine eigenen gesundheitlichen Grenzen als Führungskraft ernst zu nehmen und im Krankheitsfall zu Hause zu bleiben.
Tipp 3: Den Dialog suchen
Beobachten Führungskräfte bei ihren Beschäftigten den oben beschriebenen „Präsentismus“, ist es wichtig, dieses Verhalten in einem vertraulichen Gespräch anzusprechen. Gemeinsam sollte hinterfragt werden, warum der Beschäftigte krank ins Büro kommt. Zudem ist es wichtig, zu klären, welche Unterstützung von Arbeitgeberseite erfolgen kann, damit erkrankte Beschäftigte sich komplett auf ihre Genesung konzentrieren können, um schnellstmöglich wieder zu 100 Prozent einsatzfähig zu sein.

Die Arbeitswelt im Umbruch verlangt nach neuen Ansätzen, um Gesundheit und Motivation der Beschäftigten mit betrieblichen Notwendigkeiten sinnvoll zu vereinen. Das Projekt „Mitdenken 4.0 – Neue Präventionsansätze für Arbeitsprozesse in der Büro- und Wissensarbeit“ forscht hier an Lösungen.
„Interessierte Selbstgefährdung“
Bedeutung:
Von „Interessierter Selbstgefährdung“ ist die Rede, sobald Beschäftigte freiwillig über ihre Belastungsgrenzen hinausgehen und ihre Gesundheit gefährden, um Arbeitsziele zu erreichen.
Mögliche Ursachen:
Wird in Unternehmen etwa über Zielvereinbarungen oder über die Orientierung an Benchmarks geführt, kann es dazu kommen, dass Angestellte die volle Verantwortung für ihren beruflichen und den übergeordneten unternehmerischen Erfolg auf sich nehmen und zunehmend wie Selbstständige agieren.
Mögliche Folgen:
Einerseits bietet das Führen über Ziele Chancen: Eine hohe Autonomie in der eigenen Arbeit kann die Zufriedenheit erhöhen. Sind die kommunizierten Ziele andererseits jedoch zu starr oder unrealistisch gesetzt, sinken Produktivität, Arbeitsqualität und Motivation. Es kann zu negativen Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit kommen.
Mehr zum Thema „Interessierte Selbstgefährdung“ finden Sie hier.
Veröffentlicht am