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Team arbeitet nach der Scrum-Methode an einer Tafel.
Foto: VBG/Selina Pfrüner

Scrum Masterin im Interview „Alle sind hier viel glücklicher“

Yvonne Eich ist davon überzeugt, dass ihr Job als Scrum Masterin bei der Zurich Gruppe Deutschland für mehr Gesundheit sorgt. Warum, verrät sie im Interview.

Frau Eich, Sie sind Scrum Masterin. Was ist Scrum, und was machen Sie genau?
Scrum ist ein agiles Projekt­management-Rahmen­werk, das ursprünglich aus der Soft­ware­entwicklung kommt und bei dem auf eine Vorgehens­weise in kurzen Schleifen (Sprints) gesetzt wird. Als Scrum Masterin unter­stütze ich meine Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Projekt­teams dabei, diesen Fahr­plan für Selbst­organisation umzusetzen. Ich achte darauf, dass die Meetings nach den Scrum-Regeln ablaufen, was zum Beispiel die Inhalte und die Dauer der Meetings angeht, und ich bin Ansprech­partnerin bei Problemen aller Art, sowohl organisatorisch als auch zwischen­menschlich, und vermittle zwischen den unter­schiedlichen Bedürfnissen der Team­mitglieder.

Yvonne Eich hat Wirtschafts­­psychologie studiert. Die 24-Jährige ist seit 2017 im Kölner Stand­ort der Zurich Gruppe Deutschland als eine von sieben Scrum Mastern tätig.

Yvonne Eich hat Wirtschafts­­psychologie studiert. Die 24-Jährige ist seit 2017 im Kölner Stand­ort der Zurich Gruppe Deutschland als eine von sieben Scrum Mastern tätig.

Foto: VBG/Selina Pfrüner

Wie wurden Sie Scrum Masterin?
Ich bin da ein bisschen reingerutscht. Ich hatte einen Kollegen im Team, der meinte, das könnte ja etwas für eine studierte Wirtschafts­psychologin sein. Berufs­begleitend habe ich eine Zertifizierung zur Scrum Masterin absolviert. Um auch die Bedürfnisse der anderen Seite zu verstehen, habe ich mich auch zum Product Owner (Aufgaben­steller im Scrum-Prozess, Anm. d. Red.) ausbilden lassen.

Anfang des Jahres hat das Einkommens­portal „Gehalt.de“ eine Liste mit den Trend­berufen 2020 veröffentlicht. Scrum Master*innen sind unter den ersten fünf. Welche Eigenschaften braucht man, um als Scrum Master bzw. Scrum Masterin erfolgreich zu sein?
Ob jemand von der Persönlichkeit her für diese Rolle geeignet ist, hängt von unter­schiedlichen Faktoren ab. Akzeptanz ist dabei ein wesentlicher Faktor. Empathie ist ganz wichtig, denn man arbeitet sehr viel mit Menschen zusammen. Und eine gesunde Selbst­reflexion. Man sollte offen für Kritik sein – nicht nur in der regel­mäßigen Retro­spektive. Nicht jede Maßnahme funktioniert für jedes Team, damit muss man lernen, umzugehen. Ich bin dankbar für meine psychologische Ausbildung, die hilft mir dabei schon ganz besonders.

Wie sieht ein typischer Arbeits­tag bei Ihnen aus?
Alle Tage sind extrem unterschiedlich, außer in einem Aspekt: dem täglichen 15-minütigen Morgen­meeting, in dem jedes Team­mitglied sagt, was es gestern erreicht hat und was es heute erreichen will. Wenn wir einen Sprint beenden und den nächsten beginnen, gibt es ein oder zwei Tage, an denen wir das fertige Produkt vor­stellen, das nächste Projekt planen und in der Retrospektive zurück­blicken, wie der letzte Sprint für uns war und was wir im nächsten besser machen können.

Agile Methoden verändern die Zusammenarbeit, führen zu mehr Freude und besseren Ergebnissen.
Yvonne Eich, Scrum Masterin

Können Sie sich noch an Ihr erstes eigenes Projekt erinnern?
Gemeinsam mit dem Team Ziel­gruppen­management, das sich damit beschäftigt, Produkte für die Ziel­gruppe der Generation Y und Z, begrenzt auf junge Leute zwischen 18 und 30 Jahren, zu entwickeln, habe ich gleich mehrere agile Methoden angewandt. Mithilfe von Design Thinking haben wir heraus­gefunden, was eigentlich die Probleme sind, mit denen sich die junge Generation beschäftigt. Dabei kam heraus, dass der Wunsch nach einer Berufs­unfähig­keits­versicherung zwar sehr präsent ist, dass dieses Thema aber viel zu schwer zu verstehen ist. Das Team hat sich dann als Aufgabe vorgenommen, eine Website zu entwickeln, die jungen Menschen einfach und verständlich die Berufs­unfähig­keits­versicherung erklärt.

Sie haben sich in einem weiteren Projekt mit den Auswirkungen von Scrum auf die Gesundheit der Beteiligten beschäftigt. Wie kam es dazu?
Ein langjähriger Kollege war ursprünglich im Gesundheits­management tätig und hat schon früh die Brücke zum agilen Arbeiten geschlagen. Ihm ist im Vergleich zu anderen Abteilungen, die nicht agil arbeiten, aufgefallen, dass die Beschäftigten in unserer flachen Hierarchie viel motivierter und offener sind. Alle sind hier viel glücklicher als in anderen, traditionell geführten Abteilungen. Aufgrund meines psychologischen Hinter­grunds haben wir uns dann gemeinsam daran­gemacht, heraus­zu­finden, woran das liegen könnte. Dabei ging es vor allem darum, Studien zusammen­zu­tragen, die sich bereits mit dieser Frage­stellung beschäftigt haben.

Team arbeitet nach der Scrum-Methode an einer Tafel
Die 1872 gegründete Zurich Gruppe ist seit 1875 in Deutschland tätig. Seit 2016 setzt die Zurich Gruppe Deutschland in speziellen Innovation-Labs auf agiles Arbeiten mit Scrum. Foto: VBG/Selina Pfrüner

Ist Scrum für jede Aufgabenstellung gut?
Scrum ist kein Allheilmittel. Bei Projekten, bei denen noch nicht feststeht, was am Ende dabei heraus­kommen soll, ist Scrum eine hervor­ragende Möglichkeit, sich schritt­weise dem Ergebnis anzunähern. Bei Aufgaben­stellungen, bei denen bereits sehr konkrete Vor­stellungen vom End­ergebnis bestehen, kann das klassische Projekt­management sich besser anbieten. Scrum ist nur ein kleiner Baustein agilen Arbeitens. Und das hat ja vor allem mit einem Mindset zu tun. Flache Hierarchien sind natürlich auch ohne Scrum möglich.

Kann man alle Mitarbeitenden mitnehmen?
Die Entwicklung von der traditionellen Zusammenarbeit hin zu einem Scrum-Team ist eine Umgewöhnung, die vor allem etwas Zeit braucht, da die alten Arbeits­weisen über Jahre hinweg antrainiert wurden. Daher ist es natürlich ein sehr intensiver und langer Prozess. Ich bin aber davon überzeugt, dass die Vorteile deutlich über­wiegen und dass agiles Arbeiten die Zukunft bestimmt. Gerade jüngere Beschäftigte möchten flexibel und selbst­bestimmt arbeiten. Ich finde, Scrum passt dazu.

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VBG-Forschungs­projekt

Agiles Arbeiten bietet viel Potenzial, um Arbeit gesund­heits­förderlich zu gestalten. Es muss jedoch gut ein­geführt und gestaltet werden, damit sich dieses Potenzial entfalten kann. Seit dem Sommer 2019 führt die VBG im Rahmen der Initiative Mitdenken 4.0 und in Kooperation mit der GITTA mbH (Gesellschaft für inter­disziplinäre Technik­forschung Technologie­beratung Arbeits­gestaltung mbH) ein Forschungs­projekt durch, in dem die Stell­schrauben zur gesundheits­gerechten und erfolg­reichen Gestaltung beim agilen Arbeiten näher beleuchtet werden. Ziel: Bis Ende 2021 sollen konkrete Präventions­angebote entwickelt werden, die Unternehmen dazu inspirieren und unterstützen, agiles Arbeiten gesundheits­gerecht zu gestalten. Mehr Infos finden Sie hier

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