
Wieder voll im Einsatz: Jean Muller zusammen mit seinem Vorgesetzten Mathias Oetter von Dachser Logistics
Herr Muller, denken Sie noch oft an den Unfall?
Muller: Immer mal wieder. Aber es sind keine schlimmen Gedanken mehr. Im Krankenhaus habe ich lange Zeit Albträume gehabt von Gabelstaplern, die mich verfolgen. Die bin ich heute los. Aber sobald ich an mir hinunterschaue und die Prothese sehe, muss ich natürlich automatisch an den Unfall denken.
Was ist passiert?
Muller: Ich war Ende 2017 Zeitarbeitnehmer bei Dachser in einer besonders betriebsamen Phase. An jenem Tag wollte ich noch vor der Pause die letzten Paletten von einem Lkw entladen, als seitlich von hinten ein Gabelstapler mein Bein erwischte. Ich bekam noch mit, wie die Ersthelfer sich um mich kümmerten und wie ich im Krankenwagen zur Klinik fuhr. Danach ist erst einmal alles schwarz – auch wegen der vielen Operationen.
Herr Oetter, haben Sie den Unfall mitbekommen?
Oetter: Den Unfall selbst nicht. Aber als ich davon hörte, bin ich sofort hin.
Stand sofort fest, dass das Bein amputiert werden muss?
Muller: Wochenlang versuchten die Ärzte, es zu retten. Irgendwann war klar, dass es nicht gelingt. Da sagte ich: Schluss jetzt, das Bein muss ab! Eine schwere Entscheidung und eine harte Zeit.
Haben Sie mit Herrn Muller in dieser Zeit Kontakt gehalten?
Oetter: Selbstverständlich. Uns war klar, dass wir ihn unterstützen, wo es nur geht. Im Krankenhaus erklärte ich ihm, dass er nach der Reha jederzeit wieder bei Dachser einsteigen kann.
Muller: Das half. Ab da ging’s vorwärts.
„Ich musste laufen lernen wie ein kleines Kind.“
Die Reha lief in Zusammenarbeit mit der VBG – wie haben Sie die Zeit erlebt?
Muller: Ich musste laufen lernen wie ein kleines Kind. Die Reha war anstrengend, körperlich und mental. Mein Reha-Manager Andreas Ebenbeck von der VBG war für mich da und hat alles organisiert – von der richtigen Prothese über das erste Lauftraining bis hin zu einem Aufenthalt in einem Rehazentrum im Allgäu. Am Ende der acht Wochen konnte ich dann zehn Schritte ohne Gehhilfe laufen – das war das Ziel. Ohne Herrn Ebenbeck hätte ich das wohl nicht geschafft.
Oetter: Wer Herrn Muller kennt, der weiß, was für eine Kämpfernatur er ist. Es war uns allen klar, dass er früher oder später wieder zurückkommt.
Muller: Das stimmt! Zuletzt konnte ich die Rückkehr in den Job gar nicht mehr abwarten ...
… und dann haben Sie zum Hörer gegriffen …
Oetter: … und uns angerufen: Er wollte sofort wieder loslegen. Also trafen wir uns und schauten, was für ihn infrage kommt.
Muller: Da haben wir uns auch noch einmal den Unfallort angeschaut, das war im ersten Moment nicht einfach. Aber gleichzeitig habe ich mich richtig gefreut, wieder da zu sein. Im erneuten Einstellungsgespräch habe ich dann gemeint: „Chef, gib mir meinen Job zurück, ich zeige, dass ich es noch draufhabe!“ Er hat dann einfach meine Bewerbung beiseitegelegt – die bräuchte ich nicht. Ich war eingestellt, sogar unbefristet.
Wie ist die Rückkehr gelungen?
Oetter: Herr Muller arbeitet wieder bei uns im Lager – ohne Probleme. Wir haben ihm lediglich einen Stuhl für die Arbeit am Computer zur Verfügung gestellt – normalerweise gibt es dort Steh-PCs. Davon abgesehen hat er sich schnell wieder integriert. Das Vertrauen zahlt er mit guter Arbeit zurück.
Muller: Dass die Rückkehr so reibungslos geklappt hat, ist für mich die größte Wertschätzung. Ich arbeite als Abteilungsleiter im Wareneingang, habe tolle Kolleginnen und Kollegen und tolle Vorgesetzte. Mehr kann man sich doch kaum wünschen.
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