
„Wir schaffen ein modernes Arbeitsrecht, das Sicherheit und fair ausgehandelte Flexibilität ermöglicht“, heißt es wörtlich im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Das 178-Seiten-Papier enthält eine Reihe von Absichtserklärungen, die auf die Veränderungen in der Arbeitswelt reagieren. Zum Beispiel auf den verbreiteten Wunsch von Unternehmen, aber auch von vielen Beschäftigten nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung. Die neue Regierung will Rahmenbedingungen schaffen, in denen Gewerkschaften und Arbeitgebende darin unterstützt werden, flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitszeitrecht. Am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz wird festgehalten.
Homeoffice wird zu „mobiler Arbeit“
Für die sich in der Pandemie in weiten Teilen bewährte Arbeit im Homeoffice sollen im Dialog mit allen Beteiligten neue Rahmenbedingungen zur gesunden Gestaltung definiert werden – „sachgerechte und flexible Lösungen“, wie es wörtlich im Vertrag heißt. Die Koalition betont die Rolle von Co-Working-Spaces als gute Möglichkeit für mobile Arbeit und die Stärkung ländlicher Regionen. Bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für mobiles Arbeiten sollen Beschäftigte einen „Erörterungsanspruch“ erhalten; Arbeitgebende können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. Mobile Arbeit soll EU-weit unproblematisch möglich sein.
Homeoffice soll als eine Möglichkeit der „mobilen Arbeit“ rechtlich von der Telearbeit abgegrenzt werden, für die die Arbeitsstättenverordnung und ganz allgemein das Arbeitsschutzgesetz gelten. Für das „mobile Arbeiten“ gelten die allgemeinen Vorgaben wie das Erstellen der Gefährdungsbeurteilung ohne konkrete Vorgaben hinsichtlich der erforderlichen Gestaltung und Ausstattung der Arbeitsplätze. Eine Abgrenzung mit zwei Seiten der Medaille: Einerseits sind nach wie vor die Unternehmen für ein gesundes Arbeitsumfeld (gemäß Arbeitsschutzgesetz) verantwortlich, können aber andererseits nur schwer eine verantwortungsvolle Kontrolle des Heimarbeitsplatzes umsetzen. Bei allzu lockerer Haltung oder fehlenden Möglichkeiten der Beschäftigten steigt daher das Risiko, dass der mobile Arbeitsplatz sich als unsicher, nicht ergonomisch und damit gesundheitsgefährdend herausstellt.
Den Gesundheitsschutz neuen Herausforderungen anpassen
Allerdings betonen die Koalitionäre und Koalitionärinnen in ihrem Vertrag, dass Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes auch bei mobiler Arbeit wichtige Voraussetzungen bleiben. Wörtlich heißt es: „Den hohen Arbeits- und Gesundheitsschutz in der sich wandelnden Arbeitswelt erhalten wir und passen ihn neuen Herausforderungen an.“ Die neue Regierung will sich laut Koalitionsvertrag „insbesondere der psychischen Gesundheit intensiv widmen“, einen Mobbing-Report erarbeiten, vor allem kleine und mittlere Unternehmen bei Prävention und Umsetzung des Arbeitsschutzes unterstützen und das betriebliche Eingliederungsmanagement stärken.
Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung bezeichnen die Koalitionärinnen und Koalitionäre als notwendige Instrumente, jedoch sollen strukturelle und systematische Verstöße gegen Arbeitsrecht und Arbeitsschutz konsequenter sanktioniert werden. Bei grenzüberschreitenden Entsendungen soll gleichzeitig der Schutz von Beschäftigten verbessert und Bürokratie abgebaut werden.
Im Bereich der Befristung von Arbeitsverträgen soll der öffentliche Dienst als Arbeitgeber mit gutem Beispiel vorangehen. Die neue Regierung will die hier bestehende Möglichkeit der Haushaltsbefristung abschaffen und beim Bund als Arbeitgeber die sachgrundlose Befristung Schritt für Schritt reduzieren. Mit Sachgrund befristete Arbeitsverträge sollen maximal sechs Jahre lang möglich sein.
Die Absichtserklärungen der Koalitionärinnen und Koalitionäre hat in Teilen auch die Anerkennung von Kritikerinnen und Kritikern gefunden, ihre Ziele werden als „ehrgeizig“ bezeichnet. Es wird sich zeigen müssen, wie das jetzt vorliegende ambitionierte Grundsatzpapier im Detail ausgestaltet werden wird.
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