
Frau Schmittroth, Sie sitzen seit Januar 2020 im Vorstand der Commerzbank und sind dort für den Bereich Human Resources zuständig. Beginnen wir mit den Herausforderungen, die eine sich wandelnde Arbeitswelt mit sich bringt. Wo stehen wir Ihrer Ansicht nach zurzeit?
Wandel hat viele Facetten: Unsere Umwelt verändert sich, Technologien entwickeln sich weiter, bei Mitarbeitenden und Kunden entstehen andere Erwartungen. Das bedeutet für viele Organisationen jede Menge Restrukturierung, die oft mit dem Verlust oder der Veränderung von herkömmlichen und liebgewonnenen Arbeitsprozessen einhergeht. Dazu gehört auch ein neues Verständnis des Bereichs Human Resources. Wer künftig am Markt überzeugen und ein guter Arbeitgeber sein möchte, muss verstehen, dass sich hinter diesem Begriff kein schnöder Kostenpunkt verbirgt, sondern Menschen.
Sie sprechen das Thema Restrukturierung an. Die Commerzbank steckt mitten in einer solchen. Was sind aus Ihrer Sicht als Personalchefin die wesentlichen Elemente des Umbaus?
Für uns heißt das erstens, die Restrukturierung und den damit verbundenen Stellenabbau wirklich sozialverträglich hinzubekommen. Betriebsbedingte Kündigungen etwa sind nicht die Methode unserer Wahl. Zweitens ist es uns wichtig, neben dem Abbau auch den Umbau zu managen und die richtigen Botschaften für den Wandel zu entwickeln und zu senden. Leadership mit Purpose spielt in diesen Umbruchzeiten für uns eine ganz große Rolle. Leider können wir wenig an den äußeren Gegebenheiten ändern. Daher müssen wir die Menschen resilienter für den Umgang mit Veränderungen machen und Perspektiven schaffen.

Sabine Schmittroth, Personalvorständin und Arbeitsdirektorin bei der Commerzbank, lebt den Wandel vor
Foto: Alexandra LechnerWie machen Sie das?
Da wir aktuell rund 10.000 Stellen reduzieren, gehört dazu auch, die betroffenen Beschäftigten nicht alleinzulassen, wenn sie sich Perspektiven außerhalb der Commerzbank suchen. Wir haben uns sehr gezielt darum gekümmert, das professionell zu begleiten, Partner zu suchen und mit anderen Unternehmen, die offene Stellen haben, zu kooperieren. Mit unserem Projekt „neuLERNEN“ geben wir unseren Beschäftigten die Möglichkeit, über zeitgemäße Lernplattformen an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, die sie fachlich, aber auch persönlich weiterbringen. Weiterhin pilotieren wir Maßnahmen zum „Re- und Upskilling“ als Vorbereitung auf die Arbeit von morgen. Vieles ist möglich: etwa von der Filialmitarbeiterin, deren Arbeitsplatz wegfällt, zur Programmiererin zu werden.
Die dann auch im Homeoffice arbeiten könnte. Wie viel hybride Arbeit gibt es bei der Commerzbank?
Wir haben uns darauf verständigt, dass wir grundsätzlich bis zu 50 Prozent mobil arbeiten können, in den Einheiten unserer Zentrale sind es bis zu 70 Prozent. Unsere Filialmitarbeiterinnen und -mitarbeiter können das natürlich nicht so in Anspruch nehmen, weil unsere Kundinnen und Kunden in die Filialen kommen. In der IT oder bei eher prozessorientierten Arbeiten sieht das anders aus. Eine hybride Arbeitsorganisation ist allerdings auch nicht so leicht. Diejenigen, die gemeinsam vor Ort sind, stehen zusammen und unterhalten sich. Wer am Bildschirm dabei ist, bleibt manchmal stumm oder fühlt sich nicht genügend berücksichtigt. Insofern müssen wir alle lernen, wie wir solche Situationen meistern. In der Initiative Mitdenken 4.0 entwickeln wir zu diesem Thema gerade gemeinsam eine Handlungshilfe für die betriebliche Praxis.
Seit März 2021 sind Sie auch Vorsitzende des AGV Banken, der die Tarifverhandlungen für die Privatbanken auf Arbeitgeberseite führt. Sie sprachen gerade die Mitgliedschaft des AGV in der Initiative Mitdenken 4.0 an. Warum braucht es eine solche Initiative?
Grundsätzlich halte ich es für sehr gut, dass es außerhalb der Verhandlungstische eine Plattform der Sozialpartner gibt, die sich mit Themen beschäftigt, die in der dienstleistungsorientierten Welt eine große Rolle spielen. Beispielsweise haben wir bereits sehr früh über mobiles Arbeiten diskutiert. Die wirklich entscheidenden Themen des Wandels finden dort ihren Raum: agile Arbeit, moderne Führung, Zielvereinbarungen, die Herausforderungen digitaler Erreichbarkeit. Bei diesen Themen stehen Unternehmen aktuell vor der großen Herausforderung, die Gesundheit und Motivation ihrer Beschäftigten zu fördern und gleichzeitig die betrieblichen Bedürfnisse und Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Mitdenken 4.0 bietet dafür praxisnahe Lösungen. Wenn es in Verhandlungen um diese Themen geht, sei es in den Betrieben oder auf Verbandsebene, ist es sehr wertvoll, bereits eine gemeinsame Basis zu haben.

In Kooperation mit führenden Partnern der Sozialpolitik hat die VBG die Initiative Mitdenken 4.0 – Neue Präventionsansätze für Arbeitsprozesse in der Büro- und Wissensarbeit“ ins Leben gerufen. Gemeinsames Ziel ist es, auf Basis aktueller Forschungsergebnisse Handlungshilfen für die betriebliche Praxis bereitzustellen.
Alle Infos hier.
Welche Themen sind für die Initiative Mitdenken 4.0 in Zukunft besonders relevant?
Ich glaube, was uns in der Dienstleistung besonders beschäftigen wird, ist der künftige Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Wenn wir uns anschauen, dass es mittlerweile Videos gibt, bei denen man das Gefühl hat, man spräche mit echten Menschen, dies aber nicht der Fall ist, gibt es viel zu bedenken. Was heißt das für die virtuelle Rekrutierung? Für eine Beratungsleistung? Hier werden jede Menge Fragestellungen für unsere Branche entstehen. Ein weiteres Thema, das mir ganz besonders am Herzen liegt, ist außerdem, noch mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen.
Apropos Frauen. „Courage“, das Frauennetzwerk der Commerzbank, wurde 1998 in Frankfurt gegründet und gehört zu den ältesten und größten Frauennetzwerken der deutschen Bankenwelt. „Wir haben uns ambitionierte Ziele gesetzt und wollen den Frauenanteil sukzessive weiter erhöhen“, heißt es dort. Wo steht die Bank heute?
Der Frauenanteil bei der Commerzbank liegt insgesamt bei 53 Prozent. Nun arbeiten wir insbesondere daran, diesen in Führungspositionen zu erhöhen. Zum Jahresende 2021 waren es 33 Prozent. Unser Ziel sind 40 Prozent bis 2030. Unsere Netzwerke spielen eine große Rolle in unserem Global Diversity Council, aber auch bei der Gestaltung ressortspezifischer Initiativen. Wir ermöglichen beispielsweise verstärkt Management Experiences oder Shared-Leadership-Modelle, bei denen sich zwei Menschen eine Führungsstelle teilen – was übrigens wunderbar klappt.
Auch in Ihrem Berufsleben steht ein Wandel bevor: Sie werden die Commerzbank nach 38 Jahren Ende 2022 verlassen. Was haben Sie als Nächstes vor?
Ich möchte gestalten und meinen Stärken und meiner Passion folgen. Es öffnen sich viele Türen – meine geplante Selbstständigkeit steht dabei im Fokus.
Frau Schmittroth, herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre neue Berufung!
Live und in Farbe
Mehr von Sabine Schmittroth gibt es auf der hochrangig besetzten Podiumsdiskussion des VBG-Forums Finanzdienstleister 2022 mit Repräsentantinnen und Repräsentanten der Branchenarbeitgeberverbände und von ver.di. Die Veranstaltung findet am 18. August 2022 unter dem Titel „Digital, hybrid und agil: Gute Arbeitsgestaltung während und nach der Pandemie“ im Estrel Hotel Berlin statt.
Hier geht’s zur Anmeldung und zu weiteren Infos.
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