
Herr Dr. Dietl, Ottobock ist bereits bekannt für vielfältige Kooperationen mit jungen Unternehmen. Grasen Sie die Innovationslandschaft regelmäßig ab auf der Suche nach Neuen?
Dr. Hans Dietl: Nein, wir grasen nichts ab. Aber wir bewegen uns mit offenen Augen und sind immer interessiert an tollen Ideen, Technologien oder Produkten – besonders aktiv schauen wir auf Start-up-Labs und Innovation Spaces.

Dr. Hans Dietl von Ottobock war überzeugt von dem Potenzial einer 3-D-gedruckten Orthese.
Foto: VBG/Reinaldo Coddou H.Was bieten Ihnen junge Unternehmen und Start-ups, das Ottobock nicht selbst leist en kann?
Dietl: Zum einen tut einem etablierten Unternehmen junger, frischer Unternehmergeist immer gut. Gerade in der stark regulierten Medizintechnik ist es wichtig, immer wieder neu zu denken. Die Agilität und die Kreativität, die bei vielen Start-ups die innovativen Ideen hervorrufen, möchten wir nutzen. Und zum anderen ist es auch immer eine Zeit- und Ressourcenfrage. Gibt es eine Neuheit auf dem Markt, fragen wir uns: Können wir das selbst machen, oder kooperieren wir hier? In vielen Fällen ist eine Investition in ein junges Unternehmen wie plus medica OT der sinnvollste Weg.
Sie waren, gemeinsam mit Herrn Hülk, beim Zusammenschluss von Ottobock mit plus medica OT federführend beteiligt. Was ist das Besondere am Produkt von plus medica OT?
Dietl: Bei plus medica OT hat uns auf Anhieb gefallen, was wir sahen: Die passgenaue Fertigung von 3-D-gedruckten Orthesen ist sowohl aus technologischer als auch aus Vertriebssicht spannend.
Alexander Hülk: Ganz entscheidend war von Anfang an auch die Technologie, die hinter der Orthese steckt, nämlich effizient und maximal automatisiert die Scans für die Orthesen zu erstellen. Hier waren und sind wir immer noch einzigartig auf dem Markt.
Herr Hülk, waren Sie sofort überzeugt von einer Kooperation?
Hülk: Auf jeden Fall. Für junge Unternehmen ist es in dieser Branche extrem schwer, zu einem großen Unternehmen zu wachsen. Wir haben gemerkt: Wir brauchen den größten und stärksten Partner, um erfolgreich zu sein. Ottobock ist Marktführer auf seinen Gebieten der Medizintechnik – durch den Zusammenschluss haben wir Zugang zum globalen Markt, können uns professionalisieren und von der Erfahrung des Partners profitieren.

Der neue „Kollege“ Alexander Hülk vom Start-up plus medica OT hatte bei dem Zusammenschluss mit Ottobock ein gutes Bauchgefühl.
Foto: VBG/Jörg SchülerWas hat sich seit dem Zusammenschluss für Sie geändert, Herr Hülk?
Hülk: Natürlich war es für uns eine Umstellung. Wir sind jetzt tagtäglich in enger Abstimmung mit Ottobock. Vorher waren die Entscheidungsprozesse mit einem Team von sechs Personen ganz andere. Aber wir arbeiten noch immer eigenständig und haben auch unsere Agilität bewahrt.
Dietl: Das ist auch immer das Ziel. Gerade kleine Unternehmen leben ja von ihren Freiheiten, ihren individuellen Strukturen. Das wollen wir auf keinen Fall zerstören.
Hülk: Dafür sprechen wir jetzt von ganz anderen Ergebnissen, die wir allein nicht hätten erzielen können. Da hat sich der Mehraufwand gelohnt.
Was würden Sie jungen Unternehmen, die an eine Kooperation mit einem stärkeren Partner denken, mit auf den Weg geben?
Hülk: Ich kann sagen, dass trotz aller Formalitäten und Verträge der menschliche Faktor ganz entscheidend ist. Hätten wir uns bei Ottobock nicht wohlgefühlt, würden wir jetzt wohl immer noch allein arbeiten. Nur wenn das Bauchgefühl stimmt, beide Parteien gut miteinander können und auch die Erwartungen ausformuliert sind, kann man den Schritt gehen.
Und was raten Sie etablierten Unternehmen, Herr Dr. Dietl?
Dietl: Beide, sowohl Mittelständler wie Start-up, müssen sich darüber im Klaren sein, welche Erwartungen realistisch sind. Nur wenn beide Partner an einem Strang ziehen, kann das Ganze funktionieren.
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