Logo Certo
Dr. Susanne Roscher
Foto: VBG/Selim Sudheimer

Gesundheit am ArbeitsplatzVBG-Praxistipps für das Arbeiten von zu Hause und im Büro

VBG-Arbeitspsychologin Dr. Susanne Roscher erklärt, wie man die eigenen Grenzen wahrt und „Interessierter Selbstgefährdung“ im Berufsalltag vorbeugen kann.

Wenn das Arbeitspensum zu viel wird, überschreiten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer häufig ihre Belastungsgrenzen und bringen ihre Gesundheit in Gefahr. Nicht nur im Büro, auch im Homeoffice besteht die Gefahr, dass hohe Arbeitsmengen durch „Mehrarbeit“ ausgeglichen werden. Dies geschieht vor allem, wenn Ziele und Erwartungen an die Beschäftigten im Homeoffice nicht klar kommuniziert werden, Handlungsspielräume eingeschränkt sind und eine hohe Arbeitsintensität herrscht. Typische Verhaltensweisen sind die Intensivierung (zum Beispiel Wegfall von Pausen) und Extensivierung (beispielsweise am Wochenende arbeiten) von Arbeit, aber auch Phänomene wie Präsentismus. Solche Verhaltensweisen nennt die Wissenschaft „Interessierte Selbstgefährdung“. Und sie sind keine Seltenheit bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Umgang mit Drucksituationen, sagt VBG-Arbeitspsychologin Dr. Susanne Roscher. Sie gibt Tipps, wie die Selbstgefährdung erkannt und wie ihr vorgebeugt werden kann.

Praxistipp: Arbeitszeiten und Pausen einhalten

Foto: VBG/Jochen Schievink

Erwartungen kommunizieren, klare Regeln schaffen

Erreichbarkeit darf nicht selbstverständlich sein. Oft werden bereits etablierte Verhaltensweisen von neuen Angestellten unbewusst übernommen. Von Vorteil ist eine transparente Regelung innerhalb der Organisation oder des Unternehmens. Vertretungen, Erreichbarkeitszeiten sowie Reaktionszeiten auf Anfragen im Team sollten definiert werden.

Sich eigene Grenzen bewusst machen, auf Erholungsphasen achten

Zu hohe Verfügbarkeitsanforderungen führen langfristig zu Erschöpfung und gesundheitlichen Problemen. Die Zeiten der eigenen Erreichbarkeit sollten eingehalten und klar nach außen kommuniziert werden. Es ist hilfreich, die Push-Funktionen für E-Mails auszuschalten und unterschiedliche Geräte für die private und berufliche Kommunikation zu nutzen.

Bedeutung von Pausen erkennen

Pausen dienen einerseits der Erholung: In der Pause sollen Beanspruchungen aus vorangegangenen Tätigkeiten ausgeglichen und es soll neue Energie getankt werden. Andererseits dienen sie dazu, sich auf wechselnde Aufgaben einzustellen oder gedanklich abzuschalten. Auch die soziale Funktion von Pausen ist nicht zu unterschätzen. Wer seine Pause ausfallen lässt, schadet sich und seiner Gesundheit.

Praxistipp: Arbeit priorisieren und Ziele besprechen

Foto: VBG/Jochen Schievink

Eigenes Arbeitspensum hinterfragen

Sind die Ziele zu hoch gesteckt und ist es unrealistisch, diese in der vorhandenen Arbeitszeit zu erreichen, ist offene Kommunikation gefragt. Beschäftigte sollten dies unbedingt rückmelden und gemeinsam mit der Führungskraft die Ziele besprechen und sie gegebenenfalls anpassen. Manchmal hilft es auch schon, gemeinsam Prioritäten zu setzen und sich auf die erwartete Qualität zu verständigen.

Schwerpunkte setzen

Es ist hilfreich, die Denk- und Kommunikationsmuster hinter dem inneren Antrieb zu kennen. Menschen, die immer die Maximalleistung erreichen wollen, stehen oft unter dem Druck, alles extrem gründlich zu machen. Sie bemühen sich um Perfektion und verlieren dabei Zeitaufwand und Kosten aus dem Blick. Wenn ich meine Antreiber kenne, kann ich mich in Zeiten hoher Arbeitsbelastung besser hinterfragen und Prioritäten setzen.

Praxistipp: Ausfallzeiten ermöglichen

Foto: VBG/Jochen Schievink

Kranksein möglich machen

Bleibt die Arbeit im Krankheitsfall liegen, da es keine geregelte Vertretung gibt? Sind alle so ausgelastet oder arbeiten so eng getaktet, dass die Vertretungsregelung nicht funktioniert? Sind nach der Krankheit Überstunden nötig, um die liegen gebliebenen Aufgaben aufzuarbeiten? Lautet eine Antwort „Ja“, ist es wahrscheinlich, dass Beschäftigte auch krank zum Dienst erscheinen. Umso wichtiger ist es, Arbeit so zu organisieren, dass Puffer für mögliche Ausfalltage eingeplant werden, praktikable Vertretungen klar geregelt sind und die vertretenden Personen die Aufgaben erfüllen können.

Vorbild Führungskraft

Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und nicht selbst krank zur Arbeit erscheinen. Beobachten Führungskräfte bei ihren Beschäftigten trotzdem ein solches Verhalten, ist es wichtig, dieses in einem vertraulichen Gespräch anzusprechen. Zudem sollten erkrankte Beschäftigte sich komplett auf ihre Genesung konzentrieren können, um schnellstmöglich wieder zu 100 Prozent einsatzfähig zu sein.

Hier finden Sie die Publikation "Führen durch Ziele – Chancen und Risiken indirekter Steuerung"

Download

Praxistipp: Gesunde Erholung

Foto: VBG/Jochen Schievink

Arbeitspensum kritisch betrachten

Oft entsteht ein selbstgefährdendes Verhalten, wenn die Arbeitsmenge zu groß und der Zeitdruck zu hoch sind. Deshalb sollten diese Faktoren im Blick behalten und kritisch hinterfragt werden. Um dies zu tun, können Führungskräfte in ihrem Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durchführen, die laut Arbeitsschutzgesetz gesetzlich verpflichtend ist. Eine praktische Handlungshilfe bietet die entsprechende VBG-Publikation „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung“.

Passende Erholung finden

Wer nach Feierabend mit den Gedanken noch immer im Büro ist und abends nicht in den Schlaf findet, sollte möglichst nicht zu Medikamenten oder Alkohol greifen, sondern nach gesunden Entspannungsmöglichkeiten suchen. Vor allem Aktivitäten wie Sport, Yoga oder ein abendlicher Spaziergang in der Natur können beim Abschalten nach Feierabend helfen.

Praxistipp: Realistische Ziele setzen

Foto: VBG/Jochen Schievink

Ziele hinterfragen

Ziele sollten stets hinsichtlich ihrer praktischen Realisierbarkeit hinterfragt werden, damit es gar nicht erst zum Vortäuschen von Arbeitserfolgen kommt. Es ist wichtig, dass die Zielvorgaben bei veränderten Rahmenbedingungen anpassbar sind und stets erreichbar bleiben. Eine transparente Rückmeldung des Projektstatus hilft, unrealistisch gesetzte Ziele und Stolperstellen frühzeitig zu ermitteln und in der Folge anzupassen oder zu beheben.

Vorbild Führungskraft

Damit das Vortäuschen von Erfolgen keinen Einzug in den Arbeitsalltag findet, sollte das Vertrauen der Beschäftigten gewonnen werden. Dazu gehört, sie über die möglichen Konsequenzen vom Vortäuschen beruflichen Erfolgs aufzuklären. Wenn das Vortäuschen häufiger auftritt, sollte die Führungskultur im Unternehmen überdacht werden, da möglicherweise durch das Führen über Zielvorgaben der Druck auf die Angestellten zu stark steigt.

Wie Sie Warnsignale der „Interessierten Selbstgefährdung“ erkennen, erfahren Sie hier.

Log mitdenken 4.0

In Kooperation mit führenden Partnern der Sozialpolitik hat die VBG die Initiative „Mitdenken 4.0 – Neue Präventionsansätze für Arbeitsprozesse in der Büro- und Wissensarbeit“ ins Leben gerufen. Gemeinsames Ziel ist es, auf Basis aktueller Forschungsergebnisse Handlungshilfen für die betriebliche Praxis bereitzustellen.
Mehr Infos: www.mitdenken4null.de.

Veröffentlicht am

Das könnte Sie auch interessieren

Certo durchsuchen...