
Frau Remdisch, beim Thema „Erfolgreiche Führung“ gibt es fortlaufend neue Ratschläge, Erkenntnisse und Studien. Welche unumstößlichen Anforderungen an gute Führung bleiben bei aller Weiterentwicklung?
Zum einen natürlich die Fähigkeit, die Ziele des Unternehmens mit den Zielen und Ansprüchen der Belegschaft in ein gutes, konstruktives und produktives Verhältnis zu bringen. Ganz sicher geht es auch darum, eine Vertrauensbasis zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden und zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen zu schaffen. Vor allem aber brauchen Führungskräfte die Fähigkeit, sich auf neue Situationen, auf ständigen Wandel einzustellen und ihre Mitarbeitenden durch diese Wandlungsprozesse zu leiten. Führungshandeln kann heute nichts Statisches sein.
Die fortschreitende digitale Ausrichtung fordert Unternehmen dazu auf, neue Führungsstrategien zu etablieren. Wie verändert die Digitalisierung Führung?
Der digitale Wandel in Unternehmen ist viel mehr als ein technologischer Sprung; er setzt einen kulturellen Wandel in Gang, und die Führungskraft muss diesen Aufbau digitaler Arbeitskulturen unterstützen. Führung findet heute häufig auf Distanz statt und setzt ein Denken und Handeln in Netzwerken und Communities, aber auch Prozesse der Demokratisierung voraus. Die Führungskraft in der digitalen Arbeitswelt muss motivieren statt kontrollieren und Wissen verteilen statt horten. Nicht mehr viele „Ichs“, sondern das „Wir“ sind die zentralen Figuren: Wir teilen Daten in der Cloud, benutzen Collaboration-Tools, um den Informationsaustausch zu organisieren und Wissen zu teilen, und wir kommunizieren online über räumliche und zeitliche Distanzen. Die Herausforderung liegt darin, auch ohne Face-to-face-Kontakt Vertrauen aufzubauen, Mitarbeitende an Entscheidungen zu beteiligen und für ihre Bedürfnisse sensibel zu sein.
Hand aufs Herz: Wie viel digitales Spezialwissen muss ich als Führungskraft selbst haben, um einen digitalen Wandel erfolgreich zu begleiten?
Führungskräfte sollten natürlich nicht völlig unbescholten in Bezug auf Digitalkenntnisse sein, jedoch steht digitales Spezialwissen im technologischen Sinne nicht im Vordergrund der Führungsaufgaben. Es kommt vielmehr darauf an, die Möglichkeiten dieser Technologien auszuschöpfen und umsetzen zu können. Führungskräfte müssen vor allem sehr gute Change Manager sein, sie müssen mit komplexen Strukturen und Daten umgehen können und in der Lage sein, sich auf das Wissen bestens ausgebildeter Mitarbeitender zu verlassen. Um diese Kompetenzen zu fördern, haben wir gerade im Rahmen unseres Forschungsprojekts „LeadershipGarage“ an der Leuphana Universität Lüneburg das Digital Leadership Lab (https://leadershipgarage.com/digital-leadership-lab.html) an den Start gebracht: Hier können Führungskräfte und deren Teams, wissenschaftlich begleitet, aktuelle und für künftige Führungsaufgaben unabdingbare digitale Tools ausprobieren und deren Potenziale für das eigene Unternehmen analysieren.
Bei aller Veränderung sehnen sich die Mitarbeitenden umso mehr nach Halt,Orientierung und Sicherheit. Wie gelingt es, dieses Gefühl der Stabilität zu vermitteln?
Durch virtuelle Arbeitsweisen lösen sich tatsächlich die Grenzen von Projekten und Organisationen immer mehr auf. Die Gefahr, dass Mitarbeitende mit der räumlichen auch eine emotionale Distanz zum Unternehmen aufbauen, ist spürbar. Eine starke Unternehmenskultur und gemeinsame Visionen können diese Distanzen schließen. Aufgabe der Führungskraft ist es, den Mitarbeitenden diese Werte, Überzeugungen und Visionen des Unternehmens zu vermitteln und vorzuleben.
Höher, schneller, weiter – wie kann man als Führungskraft dafür sorgen, potenzielle Gesundheitsgefahren durch das zunehmende Tempo proaktiv zu verhindern?
Die besonderen Anforderungen des digitalen Arbeitsplatzes können zu einer Belastung für die Mitarbeitenden werden. Deshalb müssen Führungskräfte für eine gesunde Arbeitsumgebung und eine gesundheitsförderliche Arbeitskultur sorgen. Erfolgreiche Führungskräfte sind ein Gesundheitsvorbild und leiten ihre Mitarbeitenden zu gesundem Arbeitsverhalten und einer Work-Life-Integration an. Wichtig ist vor allem die soziale Unterstützung durch die Führungskraft. Sie trägt sowohl ihren Mitarbeitenden als auch sich selbst gegenüber eine große Gesundheitsverantwortung.
Auf einen Blick
1. Motivation
Führungskräfte in der digitalen Arbeitswelt sollten motivieren statt kontrollieren und Wissen verteilen statt Wissen horten. Das Wir zählt!
2. Vertrauen
Es gilt, auch ohne Face-to-face-Kontakt Vertrauen aufzubauen, Mitarbeitende an Entscheidungen zu beteiligen und sensibel für ihre Bedürfnisse zu sein.
3. Werte
Wesentliche Aufgabe ist es, der Belegschaft die Werte, Überzeugungen und Prinzipien des Unternehmens zu vermitteln und vorzuleben. Das schafft Vertrauen in Change-Prozessen.
4. Gesundheit
Führungskräfte sind auch Gesundheitsvorbilder und leiten ihr Team zu gesundem Arbeitsverhalten an.
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