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Inneinblick in die ESOC-Zentrale
Foto: VBG/Simon Hofmann

Büro im AllOpen SPACE

Wer im Europäischen Raumflugkontrollzentrum Satelliten steuert, arbeitet unter besonderen Bedingungen. Certo richtet das Teleskop auf diese nicht ganz all-täglichen Arbeitsplätze.

Auf den ersten Blick wirkt der Büro­komplex in der Robert-Bosch-Straße 5 in Darmstadt nicht gerade spacig. Doch der Schein trügt. Hinter der nüchternen Fassade verbirgt sich Europas Tor zum Welt­raum: Seit 1967 sitzt hier das European Space Operations Centre (ESOC), das Satelliten­kontroll­zentrum der European Space Agency (ESA). Ob Satelliten­starts, Aus­weich­manöver oder komplizierte Landungen: Das ESOC sorgt dafür, dass Satelliten sicher in ihrer Umlauf­bahn ankommen und dort bleiben. Rund 80 unbemannte Flug­körper haben die ESOC-Teams seit Gründung in den Orbit gebracht. Darunter befinden sich Kommunikations-, Wetter-, Erdbeobachtungs- und Klima­schutz-Daten­sammler, Satelliten des europäischen Navigations-Flagg­schiffes Galileo und die legendäre Rosetta-Mission, die 2014 eine Sonde auf einem sieben Milliarden Kilo­meter entfernten Kometen landen ließ. 4.500 Satelliten schwirren zurzeit um die Erde, davon sind nur 1.500 in Betrieb – der Rest ist Welt­raum­schrott. Mehrmals im Monat müssen die Ingenieure und Ingenieurinnen des ESOC Aus­weich­manöver fliegen, um Kollisionen zu verhindern.

Koenraad van Hove

Koenraad van Hove hält viele Meetings in einem schall­geschützten Modul ab.

Foto: VBG/Simon Hofmann

Manche Satelliten sind klein wie ein Eimer, andere groß wie ein Lkw. Wie man sie steuert, weiß Koenraad van Hove: „An den Außen­flächen der Flug­körper sind Sensoren wie Sternen­navigations­kameras und winzig kleine Steuer­düsen, Schwung­räder und Magnet­spulen montiert“, verrät der 59-Jährige, seit 2016 Health, Safety, Security and Environmental Officer des ESOC. Vorher war er in anderen Funktionen für die ESA im Pariser Haupt­quartier und im nieder­ländischen Test­center in Noordwijk tätig. Inter­national geht es auch in Darmstadt zu: In vier Sprachen kommuniziert er hier mit Kollegen und Kolleginnen aus den 22 Mitglieds­staaten der ESA.

Dass die Raumfahrt überhaupt in die süd­hessische Universitäts­stadt kam, hat einen einfachen Grund: Hier stand einer der wenigen, in den 60er-Jahren verfügbaren deutschen Groß­rechner. Die Daten­verarbeitungs­anlage füllte ganze Räume, hatte jedoch weniger Kapazität als die heutigen Mobil­telefone. Davon, dass sich Kommunikations­technologien mit Licht­geschwindig­keit entwickelt haben, profitiert das ESOC: Vor 20 Jahren kümmerten sich zwei Kontrolleure rund um die Uhr um einen Satelliten. Dank hoch entwickelter Technik können die Spezialistinnen und Spezialisten des ESOC heute über 15 Satelliten in Routine und weitere Satelliten in der frühen Start­phase gleich­zeitig kontrollieren. Wenn ihre Träger­raketen endlich abheben, blickt man im ESOC auf Monate akribischer Vorbereitungen zurück.

Koenraad van Hove im Gespräch
Komplexe Entscheidungen: Umlaufbahn, Trägerrakete und Manöver wollen wohlüberlegt sein. Foto: VBG/Simon Hofmann

Ground Control

Van Hove öffnet die Tür zu einem der großen Kontroll­räume. Hier herrscht absolute Konzentration. Wer gerade eine Flug­bahn neu berechnen muss, braucht Ruhe. Es ist dunkel, die Wände sind mit Bild­schirmen gepflastert, an jedem Arbeits­platz stehen zusätzlich zwei bis drei kleinere Monitore. Fehler haben hier fatale Folgen, daher wird penibel auf die Einhaltung von Arbeits- und Ruhe­zeiten geachtet. „Da die Ingenieure, Physiker und IT-Fachleute zeitlich begrenzt in den Kontroll­räumen arbeiten, werden Sie New Work hier nicht finden, dafür aber in anderen Bereichen des Operations Centres“, erläutert van Hove und überquert die Straße. Ein Kollege joggt über das Gelände. Van Hove winkt ihm zu. „Die Menschen, die hier arbeiten, sind das Herz dieser Organisation, auch wenn wir von modernster Technik umgeben sind“, führt er aus. Damit sie sich wohl­fühlen, wird in den Büro­trakten viel umstrukturiert. Open Spaces, Desk-Sharing und gemütliche Meeting-Sofas gehören dazu, auf Wunsch der Belegschaft wird ein Kreativ­labor eingerichtet. Auf der Grün­fläche zwischen den Gebäuden gibt es Draußen-Arbeits­plätze – trotz höchster Sicher­heits­stufe auf dem gesamten Gelände. „Arbeits­abläufe transparenter zu gestalten und gleich­zeitig dafür zu sorgen, bestimmte Inhalte sorg­fältig abzuschirmen, ist eine große, aber nicht unerreichbare Heraus­forderung“, meint van Hove. „Reisen ins Unbekannte sind uns ja nicht ganz fremd“, fügt der Sicher­heits­chef schmunzelnd hinzu. Die nächste Mars-Mission der ESA soll 2020 starten.

Das ESOC in Zahlen

Beschäftigte:

  • 280 Festangestellte, 600 Angestellte von Vertragsfirmen

Aktuelle Missionen (Auswahl):

  • Aeolus (Windmessung)
  • BepiColombo (Erforschung des Merkurs)
  • Copernicus-Programm (Erdbeobachtung)
  • ExoMars TGO (Mars-Spurengasorbiter)
  • Gaia (Vermessung der Sterne der Milchstraße)

Kooperationspartner:

  • europäische Nationalraumfahrtagenturen sowie weltweit NASA (USA), JAXA (Japan), Roscosmos (Russland) u. a.

Jährliche Besucher:

  • Rund 25.000 Führungen werden durch die Darmstadt Marketing GmbH durchgeführt.

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