Certo: Herr Dr. Franke, Sie verantworten die Arbeitssicherheit von weltweit rund 377.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Siemens. Welche Gefahren birgt der Arbeitsalltag bei Siemens?
Dr. Ralf Franke: Zusätzlich zu den Angestellten des Unternehmens umfasst mein Verantwortungsbereich auch Kontraktoren und Lieferanten. Je nach Arbeitsumfeld schwanken die Gefahrenpotenziale natürlich enorm – vom Umknicken beim Treppensteigen, dem Sturz vom Gerüst auf der Baustelle bis hin zum Verkehrsunfall des Zulieferfahrzeugs. Wichtig ist jedoch, dass wir die unterschiedlichen Gefahrensituationen im In- und im Ausland minimieren und, wenn möglich, gänzlich eliminieren.

Dr. Ralf Franke ist promovierter Facharzt für Allgemein- und Arbeitsmedizin und bei Siemens seit 2009 für die Einheit „Corporate Human Resources – Environmental Protection, Health Management and Safety“ verantwortlich.
Foto: SiemensIst die Arbeit im Ausland denn gefährlicher als in Deutschland?
Unsere Zahlen bestätigen das nicht. Selbstverständlich hängt es immer davon ab, welchen Arbeitsplatz und welches Umfeld wir betrachten, doch insgesamt sprechen die Zahlen etwa aus Afrika und Asien eher dafür, dass es dort durchaus auch sehr sicher zugeht, was vielleicht nicht jeder von vornherein so erwarten würde. Daher versuchen wir, eventuellen Vorbehalten hinsichtlich der Arbeit im Ausland mit entsprechenden Maßnahmen entgegenzuwirken.
Wie sehen diese Maßnahmen konkret aus?
Ein gutes Beispiel dafür ist unser Programm „Zero Harm Culture“, das seit 2012 nicht nur bei Arbeitsprozessen ansetzt, sondern sich auch mit der Arbeitskultur und der Einstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Führungskräfte in Sachen Arbeitssicherheit auseinandersetzt. Es geht dabei mehr um eine Kultur des „Aufeinander-Achtgebens“ als darum, noch mehr Anweisungen und Rundschreiben einzuführen. Indem wir die Beteiligten für das Thema Arbeitssicherheit sensibilisieren, wird es im Alltag noch weiter in den Vordergrund gerückt. Das Ergebnis sind deutlich niedrigere Unfallzahlen in den verschiedenen Sektoren.
Wie kann ein Unternehmen die vollkommene Sicherheit für seine Angestellten garantieren?
Eine hundertprozentige Sicherheit kann und wird es nie geben – vom technischen oder technologischen Fehler bis hin zu menschlichem Versagen gibt es im Arbeitsalltag immer Risikofaktoren. Für mich ist es aber elementar, diese Risiken möglichst stark einzuschränken, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein maximales Gefühl der Sicherheit zu ermöglichen. Das Arbeitsschutzgesetz beinhaltet dafür bereits die wichtigsten Voraussetzungen – zusätzlich braucht es aber immer wieder Selbstreflexion. Gerade wenn sich Prozesse oder das Arbeitsmilieu verändern, müssen wir uns hinterfragen und prüfen, ob unsere Standards ausreichen oder ob wir noch darüber hinausgehen sollten. Denn eines steht fest: Bei Arbeitssicherheit gibt es keine Kompromisse.
Keine Kompromisse kennt auch das deutsche Arbeitsschutzgesetz: Es sieht für alle Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung vor. Mit der verpflichtenden Maßnahme sollen die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gewährleistet werden. Damit die Beurteilung leicht von der Hand geht, hält die VBG Infos und Anleitungen bereit.
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