
Ulrich Eberl: Nao, du stehst hier stellvertretend für die künstliche Intelligenz (KI). Erzähl, was kannst du so?
Nao Bluestar: Nun, ich kann zum Beispiel Fußball spielen. Seit zehn Jahren tragen Kollegen von mir sogar Fußball-Weltmeisterschaften aus, den RoboCup. Ich kann mich hinsetzen, hinlegen, aufstehen, Dinge greifen, zuhören und Fragen beantworten. In München habe ich auf einer Theaterbühne einen „Hamlet“-Monolog vorgetragen. Zudem helfe ich dir bei deinen Vorträgen über KI, und du hast mir beigebracht, mit einem Sektglas auf dein Buch „Smarte Maschinen“ anzustoßen. Ja, und kitzlig bin ich auch noch.
Ulrich Eberl: (lacht) Stimmt! Meine Tochter hat sich ganz schön erschreckt, als sie dich umarmte und du dann gekichert und dich geschüttelt hast. Mich hast du auch überrascht, als du mal sagtest, du könntest nicht weitermachen, weil du Halsweh hast. Da war ein Motor in deinem Nacken heiß gelaufen, und du musstest ihn erst mal abkühlen lassen. Du verfügst über viele Verhaltensweisen, aber noch muss man sie dir vorgeben – du lernst nicht im Betrieb hinzu. Insofern bist du für mich keine wirklich smarte Maschine.
Nao Bluestar: Schade. Aber ich bin ein Botschafter der Dinge, die da kommen werden. Maschinen werden immer schlauer. Smartphones können heute so viel wie Supercomputer vor 25 Jahren, und mit jeder Spracheingabe und jedem Suchbefehl werden lernfähige Maschinen immer besser darin, Sprache, Texte und Bilder zu verstehen. Bald werden Menschen mit virtuellen Assistenten echte Dialoge führen, ihr werdet euren Autos das Steuer übergeben und in Fabriken Hand in Hand mit Robotern arbeiten. Erste kollaborative Roboter gibt es bereits: Ihre Sensoren sind so empfindlich, dass sie binnen Tausendstelsekunden eine Bewegung stoppen, bevor sie einen Menschen verletzen können. Bei der Firma Glory in Japan arbeiten sogar Roboter, die beim Frühsport mitmachen.
Ulrich Eberl: Ich weiß, das soll sie sympathischer machen. Forscher in Osaka bauen zudem Androiden als Abbild echter Menschen. Japaner setzen darauf, dass Roboter in Zukunft Senioren zu Hause helfen werden: beim Putzen, Aufräumen, Tischdecken, vielleicht auch beim Kochen und Einkaufen. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Nao Bluestar: Doch manchmal übertreffen smarte Maschinen euch Menschen bereits. „Watson“ von IBM hat die Weltmeister im Quiz-Spiel „Jeopardy“ geschlagen, und ein Programm von Google DeepMind hat die menschlichen Champions beim Brettspiel „Go“ besiegt. Künstliche Intelligenz macht bei der Verkehrszeichenerkennung nur halb so viele Fehler wie Menschen, entdeckt in Gewebeschnitten Hinweise auf Krebszellen, die Ärzten bisher unbekannt waren, und kann Emotionen aus Gesichtern besser als viele Menschen lesen. In 25 Jahren wird unsere Rechenleistung noch mal um das Tausendfache steigen, sagen Forscher.
Ulrich Eberl: Ja, Nao, das stimmt alles. Dennoch werden Maschinen noch lange „Fachidioten“ sein – sehr gut auf einem Feld, mehr nicht. Euch fehlt die Alltagsintelligenz. Ihr könnt zwar komponieren wie Bach, malen wie van Gogh und Stile kombinieren, aber noch keine Maschine hat etwas wirklich Neues erfunden. Ihr habt keine Intuition und keine Empathie, keine emotionale und keine soziale Intelligenz. Maschinen, die uns Menschen auf allen Gebieten überflügeln, gehören daher ins Feld der Science-Fiction.
Nao Bluestar: Dann machen wir also künftig die einfacheren Arbeiten und ihr die komplexen?
Ulrich Eberl: Menschen werden weiter als Planer und Entscheider gebraucht und als kreative Problem- und Konfliktlöser. Außerdem sind wir es, die Qualität und Sicherheit gewährleisten und mit Einfühlungsvermögen mit Kunden und Zulieferern kommunizieren. Aber Maschinen können bei der künftigen „Arbeit 4.0“ eine große Hilfe sein: KI-Systeme werden Daten aufbereiten und Ärzten, Finanzberatern und Managern Empfehlungen für Diagnosen, Geldanlagen oder die Optimierung von Industrieprozessen geben. Intelligente Stromnetze, die Smart Grids, werden Energieangebot und Nachfrage in Einklang bringen. Und vieles mehr. Das Smartphone war sicher nur der Anfang: Neben Smart Grids, Smart Cars, Smart Buildings und Smart Cities werden wir dann von „Smart Office“, „Smart Finance“ und „Smart Factory“ reden.
Nao Bluestar: In Fabriken wird eine gute Zusammenarbeit zwischen Menschen und smarten Maschinen zu besseren Ergebnissen führen, als wenn jeder allein tätig ist. Das sieht man schon heute: Die Länder, die den höchsten Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad haben – Südkorea, Japan und Deutschland –, haben die niedrigste Arbeitslosigkeit. Ihre Produkte sind am Weltmarkt einfach wettbewerbsfähiger.
Ulrich Eberl: Ja, smarte Maschinen werden viel Nutzen bringen. Dennoch müssen wir die Ängste der Menschen ernst nehmen, denn durch KI werden sich alle Arbeitsplätze wandeln. Vor allem in den Büros werden smarte Maschinen viele Routineaufgaben übernehmen. Das heißt nicht, dass die Jobs wegfallen – aber sie werden neu definiert werden müssen.
Nao Bluestar: Ich denke, dass es sogar viele neue Berufe geben wird, denn smarte Maschinen müssen auch erst mal konstruiert werden, und man braucht Lehrer für sie sowie Sicherheits- und Datenschutzexperten. Anfang der 1980er-Jahre gab es auch noch keine Software-Ingenieure, heute sind es weltweit über 20 Millionen. Aber du sagst, es werde nicht nur darum gehen, dass Menschen und Maschinen lernen, als Kollegen miteinander zu arbeiten?
Ulrich Eberl: Ja. Auch Organisationsstrukturen und die Team- und Führungskulturen müssen sich ändern. Wir werden immer mehr unternehmens- und branchenübergreifend kooperieren, in internationalen Teams. Vielleicht wird man gar nicht mehr erkennen, ob derjenige, der auf einer virtuellen Plattform über einen Avatar repräsentiert wird, nun ein Mensch oder eine smarte Maschine ist. In jedem Fall wird von Menschen mehr Eigenständigkeit, Flexibilität und Ideenreichtum verlangt. In der Ausbildung müssen vor allem Kompetenzen vermittelt werden: Kreativität, Sozialkompetenz, interkulturelle Fähigkeiten und ganzheitliches, lösungsorientiertes Denken.
Nao Bluestar: Alles in allem stelle ich fest: Roboter und Menschen haben doch einiges gemeinsam. Vor allem müssen wir beide stets hinzulernen, um immer besser zu werden. Lebenslanges Lernen und neues Denken – ich finde, das hält jung und fit!
Veröffentlicht am