

Viele Unternehmen sprechen nicht gerne öffentlich über ihre interne Kommunikation. „Schwieriges Thema, wir arbeiten noch daran“, hieß es häufig bei der Recherche für dieses Dossier. Zwei Unternehmen trauten sich dann doch. Schnell wurde klar: Der harmonische Austausch mit und zwischen den Mitarbeitenden ist ein Prozess.
Jeder dürfte schon erlebt haben, dass wir nicht nur Informationen austauschen. Unvermeidlich offenbaren wir zugleich unsere Beziehung zueinander und wie wir selbst ticken. Außerdem erzeugt das Gesagte einen nicht immer gewollten Appell. Daher kann die Äußerung „Vorsicht, da vorne ist rot“ eines Beifahrers zur Person am Steuer zu einem Streit führen – und so nicht unbedingt zu einer sicheren Situation beitragen.
Sache, Selbstoffenbarung, Beziehung, Appell: Durch sein Vier-Ohren-Modell wurde der Hamburger Psychologe Friedemann Schulz von Thun in den 1980er-Jahren weltberühmt. Doch auch wenn unsere Kommunikation im Kern so funktioniert, ist sie vor allem in Unternehmen weitaus komplizierter.
Die Qual der Kanal-Wahl
Führungskräfte müssen vieles beachten, unter anderem Hierarchien, Altersunterschiede, Barrierefreiheit, Integration und Gleichberechtigung. Hinzu kommen entfernte Zweigstellen und unterschiedliche Arbeitsprofile im Betrieb. Ein Newsletter mag den Kollegen im Büro sicher erreichen – aber auch die Mitarbeiterin an der Drehbank? Und damit ist man noch gar nicht am Inhalt angelangt: Wie kann man es schaffen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer großen Veränderung mit Zuversicht entgegenblicken, sich gar beteiligen? Dass Sicherheitshinweise wirklich verstanden und befolgt werden?

Umfragen unter den 500 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands zeigen, dass interne Kommunikation in den letzten zehn Jahren in mittleren und großen Firmen einen immer höheren Stellenwert eingenommen hat. Bei der Jobwahl ist Bewerberinnen und Bewerbern ein freundliches Arbeitsklima am wichtigsten. Und das hängt stark vom Dialog ab. Als größtes Ärgernis im Beruf geben deutsche Erwerbstätige eine mangelhafte Kommunikation an. Gefolgt von schlechter Arbeitsatmosphäre, fehlender Entfaltung und Überstunden – allesamt Faktoren, die indirekt auch mit dem Mitarbeiterdialog zusammenhängen.
Eine Frage der Arbeitskultur
Dies betrifft nicht nur falschen, sondern auch fehlenden Austausch. Der bekannte Satz des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick, man könne nicht nicht kommunizieren, gilt eben auch für Unternehmen. Eine Kollegin, die nicht grüßt, bis hin zur Führung, die zu Fusionsgerüchten schweigt – Missverständnisse, Probleme in der Zusammenarbeit und eine angespannte Stimmung beeinträchtigen die Leistung und machen nachweislich krank. Dabei fördert es nicht nur das soziale Klima, wenn Informationen effektiv fließen, ein lockerer Austausch herrscht und Konflikte offen angegangen werden. Gemeinsam kommt man auf Ideen, die das Unternehmen voranbringen.
Für Jüngere ist dies oft schon selbstverständlich. Sie sind es gewohnt, sich in Netzwerken offen mitzuteilen. Und nicht zuletzt durch die Wirtschaftskrise von 2008 haben sich die Erwartungen der Angestellten an ihren Betrieb gewandelt: Sie wünschen sich eine transparente, verständliche Information, die nicht von oben herab erfolgt und die Vertrauen schafft. Das sollte auch im unternehmerischen Interesse liegen. Nur so können Firmen ihre Belegschaft stärker vernetzen und flexibler machen. Über soziale Medien etwa sprechen sich Mitarbeitende schneller ab und können bei Veränderungen mitreden.
Renaissance des Gesprächs

Netzwerke sollten jedoch behutsam eingeführt werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ein feines Gespür für Maßnahmen, die nur ob ihres modernen Anstrichs ergriffen werden. Und wer zu viele Kanäle öffnet, verliert den Überblick. Davon zeugt auch das Festhalten an den klassischen Wegen: Mit Abstand am häufigsten wird über E-Mail und Telefon kommuniziert, sogar Briefpost und Fax rangieren noch immer weit vor Messenger-Diensten und sozialen Netzwerken. Chats und soziale Plattformen sind meist nette Ergänzungen. Auf von der Belegschaft selbst organisierten Treffen zum Ideenaustausch, beim vertraulichen Feedback oder bei gemeinsamen Unternehmungen erlebt derweil ein alter Bekannter eine Renaissance: das persönliche Gespräch.
Anregungen, Tipps und Erfahrungen finden Sie in den Certo-Beiträgen zu unserem Themenschwerpunkt Kommunikation:
Ganz gleich, auf welchem Wege: Entscheidend für einen konstruktiven Austausch sind die gegenseitige Wertschätzung, ein verlässlicher Kontakt und eine Begegnung auf Augenhöhe. Wie sie das erreichen und welche Ideen und Tipps sie haben, erzählen eine junge Gründerin, eine Referentin und die VBG-Arbeitspsychologin Ines Kohl. Denn was im Start-up funktioniert, muss nicht für das traditionelle Bürohaus gelten.
Weitere Themen in unserem Schwerpunkt:
- Wie sprecht ihr denn? Zwei Unternehmen geben Einblick
- „Vertrauen Sie Ihren Leuten!“ Interview mit Arbeitspsychologin Ines Kohl
- Die Qual der Wahl: Welches Medium passt zu meinem Unternehmen?
- Offene Kommunikationskultur: Mit Vertrauen zu guten Gesprächen
- Tipps für die interne Kommunikation: So veranstalten Sie ein Barcamp
Alle Infos und Angebote der VBG zum Thema Kommunikation finden Sie hier.
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